Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thomas Kuschny · 13. Okt 2013 · Musik

„Am I Too Pushy? “ - Erika Stuckys neues Projekt „Black Widow“

Frau Stucky hat sich in der Spielbodenkantine eben noch mit einer Schachtel Besteck versorgt und betritt nun laut rasselnd den noch dunklen Saal von der Seite aus. Freitonales deklamierend, erklimmt sie die Bühne und eröffnet mit „Black Betty“, einem Klassiker, der ganz sicher nicht von einer Spinne handelt ( eher noch von einer Flasche Selbstgebranntem, aber das ist umstritten). Roh und rumpelnd klingt das und eher der bald hundert Jahre alten Version von Leadbelly als der allseits bekannten von RamJam verpflichtet. Ein furioser Beginn!

Schon hier wird klar, dass die in der Ankündigung forcierte musikalische Verwandtschaft zu Altvater Tom Waits nicht weit hergeholt ist. Abgesehen davon, dass Schlagzeuger Michael Blair auch schon für den Meister selbst getrommelt hat. (Laut Pressetext hat man ihn zusätzlich gar mit Keith Richards einen heben gesehen, was ja fast einem Ritterschlag gleichkommt.) Die durch die oft kargen Arrangements umso intensiver wirkende Mixtur aus berührenden Balladen und eckigen Grooves mit der nötigen Portion Schrägheit erinnert natürlich an das Waits´sche Œuvre, das Reinheitsgebot wird jedoch glücklicherweise gründlich missachtet.

Dem analogen Puristen mag ja mitunter die Grausbirne aufsteigen, wenn er David Coulter, der sonst mit Bass, Geige und singender Säge werkt, am Tablet Computer ein virtuelles Vibrafon bedienen sieht. Stuckys Humor ist es aber, der den größten Unterschied macht. Das schrill-bunte Outfit und die witzigen selbstgemachten Kurzfilme in Super8-Ästhetik mussten zwar dem „Black Widow“ Konzept weichen, die „gruselige“ Atmosphäre ist selbstredend aber eher der „Addams Family“ geschuldet, deren Kennmelodie ja auch zitiert wird.

Wie im Spukschloss


Die Bühne ist düster illuminiert, ein Projektor wirft die Schatten der Musiker auf den passenden Hintergrund (meist sparsame Muster, aber natürlich dürfen Spinnen auch nicht fehlen). Auf der Stimme ist viel Hall, sogar bei Ansagen tönt es wie im Spukschloss. Der wilde Kauderwelsch aus breitem amerikanischen Englisch und noch breiterem Schweizer Dialekt lässt einen aber höchstens wohlig erschauern.
Wie üblich ergänzen skurrile Coverversionen das diesmal umfangreichere eigene Material. „On Broadway“ mit anderem Text, „Oh Darling“ so exaltiert, wie es Paul McCartney gerne gelungen wäre und „Helter Skelter“ samt originalem Wehklagen von John Lennon ("White Album"): „I´ve Got Blisters On My Fingers!!!“. Diesmal beklagt vom Multiinstrumentalisten Terry Edwards, der neben Gitarre und Keyboards auch Trompete und ganz ausgezeichnet Saxofon spielt. Textlich sind bestenfalls lose Verbindungen zum Thema eruierbar, Herzen werden verschenkt oder auch nicht, auf den wachenden Schutzengel wird gehofft und bevor die Mitmusikanten dann am Schluss noch für ein „Zäuerli“ (=Appenzeller Naturtonjodler) zwangsrekrutiert werden, fragt sich die famose Sängerin dann doch noch selbstreflexiv: „Am I Too Pushy (= penetrant) ?“ 
Keine Sorge!