Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 15. Aug 2010 · Musik

Spannende Musik und ein guter Solist, jedoch eine mutlose Programmgestaltung - Die Matinee des Symphonieorchesters Vorarlberg bei den Bregenzer Festspielen

Bei der traditionellen Matinee des Symphonieorchesters Vorarlberg wurden gleich zwei Orchesterwerke des "Composers in Residence" Mieczyslaw Weinberg präsentiert. Jürgen Ellensohn hinterließ mit seiner Deutung des Weinberg-Trompetenkonzertes einen positiven, wenngleich nicht begeisternden Eindruck. Teile aus Smetanas berühmtem Zyklus „Mein Vaterland“ brachten zwar das SOV zum Strahlen, insgesamt wirkte dieses Werk in Verbindung mit Weinbergs Kompositionen jedoch altbacken.

Die Sinfonietta Nr. 1, op. 41 von Mieczyslaw Weinberg ist ein eingängiges Werk, das die Zuhörenden auf Anhieb in seinen Bann zu ziehen vermag. Gut artikuliert präsentierten die Bläser das schneidende Eingangsthema, das von den Streichern schattenhaft beantwortet wurde. Galoppierend vorwärts eilende Passagen und das Wechselspiel zwischen Violine und Trompete, versehen mit spannungsreichen fallenden Intervallen ließen einen dichten musikalischen Strom entstehen. Etwas unvermittelt wirkte der rasche Übergang in einen reflektierenden Abschnitt, doch der eposidenhafte Erzählfluss gelang dem SOV unter der Leitung von Gérard Korsten eindrücklich.
Der zweite Satz mit den zahlreichen Soli im Horn, in der Oboe und in der Flöte bildete einen Höhepunkt der Konzertmatinee. Und als die Soli der Klarinette (Martin Schelling) den jüdischen Tonfall so hervorragend trafen, wurde die ganze Dramatik dieses mitteilsamen Werkes mitsamt den vielen Zwischentönen erlebbar. Eine bemerkenswerte Pianokultur des Orchesters unterstrich die eindringliche Kraft dieser Werkdeutung. Räumliche Distanzen verarbeitete Weinberg im dritten Satz, bevor im abschließenden Vivace grelle Farben sowie rhythmisch ineinander geschobene Motive in den Hauptlinien nachdrücklich heraus geformt wurden.

Mit sarkastischem Tonfall



Jürgen Ellensohn spielte Weinbergs Trompetenkonzert in B-Dur, op. 94 mit einem strahlenden Ton und gelenkiger Stimmführung. So kamen die spitzigen, zeitweise fast fratzenhaften Hauptthemen im Eröffnungssatz gut zur Geltung und wirkten teilweise provokant und aufreizend artikuliert. Mittels Dämpfer wurden mehrere Stimmungswechsel erzeugt, die jeweils andere Lichtverhältnisse schufen. Das Orchester war dem Solisten ein guter Partner und spielte die zergliedernden Motive transparent. Einen langen Atem hatte Jürgen Ellensohn im Andante, in dem gedehnte Liegetöne erklangen, die jedoch eher straff ausgeführt wurden. Die Dialoge zwischen dem Solisten und den Orchesterpartnern kosteten alle Beteiligten aus, so dass eine variantenreiche Vielfalt an Farben und Stimmungen sowie Ruhe und Raum für die Entfaltung der musikalischen Gedanken gegeben war. Vor allem der Schluss mit der Bezeichnung „Fanfares: Andante“ hinterließ einen guten Eindruck. Einige Anspielungen und Zitate belebten diesen Finalsatz, den alle gemeinsam spannend ausgestalteten. Die Balance zwischen kammermusikalisch gesetzten Passagen und orchestralen Fanfaren, gespickt mit Andeutungen aus anderen Werken, gelang ausgezeichnet.

Gemischte Gefühle

Insgesamt hinterließ Jürgen Ellensohn, der bei Lothar Hilbrand in Feldkirch und Johann Gansch in Salzburg studiert hat, einen nicht leicht einzuschätzenden Eindruck. Obwohl er gut spielte, wirkte seine Darbietung eher unsicher. Wohl deshalb, weil er während den Spielpausen ständig an seinem Instrument herum hantierte und mit sich selbst beschäftigt war. So entstand ein Eindruck, der seine Qualifikationen relativierte.



Klangschwelgerisch und weitschweifend



Die zweite Konzerthälfte wurde mit Smetanas Tondichtungen „Mein Vaterland“ gefüllt. Zwar konnten sich mit den patriotisch aufgeladenen Orchestersätzen das Orchester und sein Chefdirigent bestens präsentieren. Die vielgestaltigen Spielarten und die transparente Ausgestaltung der musikalischen Linien waren bemerkenswert. Die vier Sätze „Die Moldau“, „Sárka“, „Aus Böhmens Hain und Flur“ sowie „Blanik“ spielte das SOV mit Kraft und Intensität, Leidenschaft und Schwung. Doch es breitete sich im Konzertsaal eine betuliche Atmosphäre aus, die auf mich völlig unpassend zur vorher gehörten Musik von Weinberg wirkte. Dieser Art der Programmgestaltung kann ich nichts Positives abgewinnen. Weinbergs Musik schrie nach Dmitiri Schostakowitsch. Bleibt die Frage offen, warum sich die Programmverantwortlichen des SOV nicht dazu entschließen konnten, eine der fünfzehn Symphonien von Schostakowitsch, der noch dazu ein wichtiger Freund und Mentor von Weinberg war, zu spielen.