Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 26. Jul 2021 · Musik

Sich schließende Kreise – Der Tenor Julian Prégardien und die Pianistin Tamar Halperin gaben einen lang nachwirkenden Liederabend

Die schönste Form der Verbindung von Musik und Poesie ist das Lied. Im Rahmen der gleichnamigen Reihe bei den Bregenzer Festspielen präsentierten der Tenor Julian Prégardien und die Pianistin Tamar Halperin einen Liederabend, der dies eindrücklich unter Beweis stellte. Purcells Lied „O! Solitude“ in der Bearbeitung von Benjamin Britten, die Kantate „L’amante segreto“ der Barockkomponistin Barbara Strozzi und Thomas Larchers Liederzyklus „A Padmore Cycle“ trugen eine große Aussagekraft in sich, die der Sänger und die Pianistin auf sensible Art und Weise herauskristallisierten.

Der aus Deutschland stammende Sänger Julian Prégardien und die deutsch-israelische Pianistin Tamar Halperin präsentierten eine stringente Werkauswahl mit einem dramaturgischen Bogen, der die Zuhörenden von Beginn an in ihren Bann zog. Alle Kompositionen erklangen in unmittelbarer Folge aneinandergereiht. Beeindruckend wurde dabei der emotionale Gehalt insbesondere an den Nahtstellen ausgelotet, so dass der innere Spannungsbogen stets erhalten blieb.
Emphatisch nuanciert und textdeutlich brachte Julian Prégardien die Affektgehalte in Purcells Lied „O! Solitude“ sowie in Barbara Strozzis Kantate „L’amante segreto“ zur Geltung, den Höhepunkt bildete der „Padmore Cycle“ von Thomas Larcher. Sowohl bei den Liedern von Purcell (in der Bearbeitung von Benjamin Britten) und Barbara Strozzi als auch im Liederzyklus von Thomas Larcher war der Klavierpart ebenbürtig zum Vokalpart gesetzt und nahm als Reflexionsebene der Singstimme in vielen Passagen eine zentrale Rolle ein.
Benjamin Britten hat in Henry Purcells Lied „O! Solitude“ beide Pole der Einsamkeit ausgelotet, auf der einen Seite die Sehnsucht nach ihr, auf der anderen Seite auch die Kälte des Alleinseins. Julian Prégardien setzte genau hier an und gestaltete die melodische Linie mit viel psychologischem Einfühlungsvermögen aus. Auch das Lied „L’amante segreto“ berührte in der emotional dichten und vielgestaltigen Deutung. Markante Stimmungsumschwünge verliehen der Kantate abschnittweise sogar opernhafte Züge.
Mit einem bewundernswert sensiblen Anschlag spielte Tamar Halperin am Klavier. Sie breitete den Klanggrund plastisch und energiegeladen aus, führte insbesondere Purcells Lied von der Stille wieder in die Stille, unterstrich die Ausdrucksgehalte der Texte mit charakteristischen Tonsymbolen und modellierte die affektbetonte Harmonik. Nahtlos fügte die Pianistin sodann Préludes von Johann Sebastian Bach (BWV 924, 931, 926, 999, 939 u.a.) und die französischen Suiten (BWV 813 und 814) in die Liedinterpretationen ein. Für die Zuhörenden ergab sich dadurch nach den intensiven Lieddeutungen eine feinsinnige Klanginsel. Die ersten Préludes wirkten etwas romantisch angehaucht, doch sehr bald fand die Pianistin mit ihrem poesievollen Spiel einen glasklaren, perlenden Anschlag. Mucksmäuschenstill hörte das Publikum zu und es entwickelte sich eine konzentrierte Konzertatmosphäre - die beste Voraussetzung für den Liederzyklus „A Padmore Cycle“ von Thomas Larcher.

Nach dem Barocken höchst inspirierendes Zeitgenössisches

Groß war die Vorfreude, diesen bereits 2018 angekündigten Liederzyklus live zu hören. Wie der Titel besagt, schrieb Thomas Larcher die Lieder dem britischen Tenor Mark Padmore auf den Leib. Julian Prégardien war nun der erste, der die Lieder außer dem Widmungsträger sang. Die intensiven kurzen Texte von Hans Aschenwald und Alois Hatschnig hat Thomas Larcher aussagekräftig in Musik gesetzt. Insbesondere die knappe Form erhöhte die Wirkmacht der Worte. Während Julian Prégardien den Text detailliert und auch mit mikrotonalen Tonhöhenunterschieden sang und teilweise fast rezitierend entfaltete, öffnete der Klavierpart große emotionale Räume. Präparierte Saiten und die Bespielung der Saiten im Korpus des Instruments unterstrichen den fragilen Charakter der vertonten Lieder. Julian Prégardien und Tamar Halperin formten den Liedzyklus eindringlich, so dass die Lieder in der Verbindung von Wort und Ton mit großer Aussagekraft ausgestaltet erklangen. Viele Feinheiten könnten an dieser Stelle beschrieben werden. Besonders in Erinnerung blieben unter anderem beeindruckende kleine und große Klangbilder, die Anklänge an die Volksmusik implizierten, sich aber auch weit davon wegbewegten und viele Anreize für eigene Assoziationen boten.