Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Michael Löbl · 05. Nov 2022 · Musik

Senior Citizens – Das Brodsky Quartet macht auf seiner Jubiläumstournee Halt in Dornbirn

Das britische Brodsky-Quartet ist bereits seit vielen Jahren Stammgast im Kulturhaus, genauer gesagt im Rahmen des Abonnementzyklus‘ Dornbirn Klassik. Am Donnerstagabend war Dornbirn eine Station ihrer Jubiläumstournee „50 Years of the Brodsky Quartet", als Special Guest hatten sie den jamaikanisch-britischen Bassbariton Sir Willard White mitgebracht.

U- oder E-Musik?

Zur Einstimmung gab es wieder eine interessante Konzerteinführung durch Robert Schneider. Diesmal ging es um die Frage, wie es denn eigentlich zu der Trennung zwischen Ernster und Unterhaltungsmusik gekommen ist. Der Ursprung dieser Aufteilung liegt bei der Gründung der ersten Verwertungsgesellschaften am Beginn des 20. Jahrhunderts. Diese Organisationen sollten Autoren und Komponisten einen Anteil an den Einnahmen bei Aufführungen ihrer Werke verschaffen. Natürlich sollten Komponisten von E-Musik mehr bekommen als ihre Kollegen aus der Abteilung U-Musik. 
50 Jahre Brodsky Quartet? Ja, zwei Mitglieder der allerersten Besetzung sind auch heute noch dabei; sie waren im Jahr der Gründung Teenager. Somit versammelten sich fünf ältere Herrschaften auf der Bühne – Willard White ist mittlerweile 76 Jahre alt – und musizierten frisch und jugendlich wie in alten Zeiten.

Über den Tellerrand

Das gängige Standardrepertoire war für das Brodsky Quartet zwar immer der Kern ihrer musikalischen Arbeit, schon bald aber entwickelten sie spezielle Programme mit zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern auch aus dem Nicht-Klassik-Bereich. Besonders intensiv war die Zusammenarbeit mit Björk, Elvis Costello oder Paul McCartney. Auch Uraufführungen und Auftragswerke, auch von Vorarlberger Komponisten, waren dem Ensemble immer ein Anliegen. Der unglaublich langen Treue der zwei verbliebenen Mitglieder steht eine gewisse Fluktuation der beiden anderen Positionen gegenüber. Die Besetzung der Ersten Violine beispielsweise hat in den letzten drei Jahren zwei Mal gewechselt.
Die Programmidee für diese Jubiläumstournee war eine Hommage an das legendäre Hollywood String Quartet aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Das HSQ gilt als eines der ersten professionellen Streichquartette in den USA. Natürlich spielten sie auch Filmmusik – die Mitglieder waren schließlich alle Stimmführer in den Orchestern der großen Filmstudios – ihr Ruhm entstand aber in erster Linie durch die meisterhafte Interpretation des Quartettrepertoires von Schubert über Beethoven, Schumann bis zu Schönberg, Hindemith oder Alberto Ginastera. Selbstverständlich hat das HSQ mit allen Hollywoodgrößen seiner Zeit musikalisch zusammengearbeitet, ihr Album „Close To You" mit Frank Sinatra besitzt inzwischen fast schon Kultstatus.

Across The Ocean

Warum man Willard White als einen „der großen musikalischen Entertainer der Klassikwelt" angekündigt hat, bleibt ein Rätsel. Er ist ein ganz normaler – wenn auch außerordentlich guter – Opernsänger, der alle wichtigen Partien des Bassbaritonfaches in Wien, London, New York, Aix-en-Provence und vielen anderen großen Opernhäusern gesungen hat. Seine Stimme klingt noch immer unglaublich frisch und klangschön, allerdings ist er eher der ruhige Bühnentyp. Als Sänger, nicht aber als Entertainer, ist er immer noch eine allererste Wahl.
Das Programm vor der Pause war etwas ernster, danach unterhaltsamer. Zunächst Songs aus „Porgy and Bess" von George Gershwin, dann Lieder und Arien von Benjamin Britten und Jules Massenet. Anschließend ging es über den Atlantik in die USA und dort blieb man dann auch bis zum Ende. Zunächst mit dem stimmungsvollen Tongemälde „Dover Beach" von Samuel Barber, im zweiten Konzertteil standen dann Komponisten wie Aaron Copland, Jerome Kern oder Lord Burgess auf dem Programm, als offiziellen Abschluss gab es dann „My Way" von Frank Sinatra.
Willard White und das Brodsky Quartet trafen für jeden Programmpunkt das richtige Feeling, die wunderbar strömende, warme und intensive Bassbaritonstimme des Sängers verschmolz mit den Streichern und das spieltechnische Können der vier Quartettmitglieder und die ausgefeilten Arrangements ermöglichten schnelle Stimmungswechsel zwischen den verschiedenen kurzen Songs. Irgendwann stellte man sich zwar für einen kurzen Moment die Frage, warum ausgerechnet fünf Engländer:innen das amerikanische Songbook auf einer Bühne in Dornbirn zum Besten geben, ungeachtet dessen, wie gut sie das taten. Vielleicht trägt die Klangkombination von Stimme und vier Streichern doch kein abendfüllendes Programm, irgendwann möchte man dann doch andere Farben hören, wie zum Beispiel ein Schlagzeug oder ein Blasinstrument.

Entspannte Zugaben

Höhepunkt des Abends waren die letzten 15 Minuten, drei Zugaben in locker-entspannter Atmosphäre. Zunächst Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen", gefolgt von Aaron Coplands „I Bought Me a Cat" (hier entpuppte sich Willard White als der angekündigte Entertainer) und zum Abschied noch der Evergreen „Ol' man River". Glückliche Gesichter und lange anhaltender Applaus.

https://www.dornbirn.at/leben-in-dornbirn/leben/kultur/dornbirn-klassik-2022-23
https://www.brodskyquartet.co.uk/