Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 06. Nov 2022 · Musik

Tongewebe, Klangtürme, ein Klangbad, Gespräche und Geschichten – „texte und töne“ 2022 im ORF Landesstudio Dornbirn war ein inspirierender Ort der Begegnung mit Neuem

Die zehnte Ausgabe des Festivals „texte und töne“ im ORF Funkhaus stieß auf viel Publikumsinteresse. Schon beim Eintreten ins Publikumsstudio schlug das Herz musikbegeisterter Besucher:innen höher, denn der gesamte Bühnenraum war prall gefüllt mit verschiedensten Instrumenten. Das angekündigte Programm vereinte unterschiedliche Kompositionsstile und bot vielgestaltige Einblicke in das zeitgenössische Musik- und Literaturschaffen, unter anderem mit neuen Kompositionen von Nikolaus Brass, Gerald Futscher, Wolfgang Lindner und Benny Omerzell sowie Texten von Erika Kronabitter, Norbert Mayer und Jürgen-Thomas Ernst. Das Ensemble plus unter der Leitung von Thomas Gertner, die Mezzosopranistin Anna Hauf und der Pianist Benny Omerzell interpretierten sämtliche Werke mit viel Elan und Ausdruckskraft.

Vier Konzert-Lesungen kuratierten Guy Speyers, Leiter des Ensemble plus, und Erika Kronabitter von Literatur Vorarlberg in Kooperation mit Jasmin Ölz und Annette Raschner vom ORF Landesstudio Vorarlberg. Die Vorfreude war groß, denn zahlreiche Uraufführungen fanden sich auf dem vielschichtigen Programm.

Raumgreifende Perkussion

Im Auftrag des Ensemble plus komponierte Wolfgang Lindner das Schlagzeugquartett in vier Sätzen. Spektakulär war der Aufbau des Instrumentariums, in dessen Zentrum das Vibraphon, Röhrenglocken, Drumset und Tam-Tam standen, ergänzt von Rahmentrommeln, Zimbeln und anderen Schlaginstrumenten. Alle vier Perkussionisten, Thomas Büchel, Stefan Greussing, Alfred Achberger und Bertram Brugger, die das Werk zur Uraufführung brachten, waren ehemalige Schüler von Wolfgang Lindner am Vorarlberger Landeskonservatorium. Dieser hat ein sehr persönliches Werk mit einem Botschaftscharakter geschaffen. Die zugrundeliegende Intention fand er in der für ihn in der vergangenen Zeit bedeutend gewordenen Bahai-Religion. Nicht sogleich fand das Werk eine stringente Aussage, aber bald bündelten sich rhythmische Patterns, Tonhöhen und Klangfarben in einem mitreißenden musikalischen Fluss. Im tänzerischen zweiten sowie im vierten Abschnitt, mit klangfarblich changierenden Schwebungen, wurden Höhepunkte ausgeformt.

Ornamentale Linienführungen

Im Auftrag des Ensemble plus komponierte Gerald Futscher zwei Lieder für Mezzosopran und Ensemble nach Texten von Michel Houellebecq. Anna Hauf interpretierte die Vokalparts in „Le maitre énamouré“ und „Soutien-gorge du vide, lingerie du neant“ mit viel musikalischer Aussagekraft und verlieh den kunstvoll ausgestalteten melodischen Linien und Melismen einen klangsinnlich-barocken Charakter. Aufmerksam begleitete das Ensemble plus mit Thomas Gertner am Pult die Sängerin. So entfaltete sich der ornamentale Instrumentalpart kommunikativ und der feinsinnige kompositorische Gehalt der Werke kristallisierte sich heraus. Spannende Einblicke in die kontrapunktische Kompositionsweise von Gerald Futscher boten überdies die beiden Stücke für Bratsche (Guy Speyers) und Harmonium (Gerald Futscher).
Aufhorchen ließen auch zwei Solostücke: In Wolfram Schurigs Werk „Fenster“ für Violoncello entfaltete Jessica Kuhn die musikalische Strahlkraft in vielen changierenden Klangfarben. Die 2. Partita aus „Sei Solo“ für Violine allein von Nikolaus Brass hat Andreas Ticozzi (Bratsche) für sein Instrument bearbeitet. Den kommunikativen Charakter der sich gegenüberstehenden Phrasen sowie imitierende Schattierungen und unterschiedliche Spannungsverhältnisse in Mehrklängen kamen bei der Werkpräsentation anregend zur Geltung.

New Age Music

Weil die Primgeigerin des Ensemble plus kurzfristig ihr Engagement absagen musste, waren Programmänderungen notwendig. Rudi Springs emotionsgeladenes Werk „In nomine“ op. 88 wurde als Filmbeitrag der Uraufführung eingespielt. Zugleich verliehen die Programmänderungen Benny Omerzell mehr Entfaltungsspielraum als ursprünglich vorgesehen. Im Rahmen einer Improvisation führte der Pianist die Zuhörenden in seine Klangwelt und gab einen Vorgeschmack auf das von ihm komponierte Werk „Perpetuum Immobilis“ für Streicher, Percussion und Klavier, das im Rahmen der „Late Night Session“ präsentiert wurde. Im Stile des New Age erklangen wogende und rotierend ineinander verflochtene Tonfloskeln. Zahlreiche Zuhörende tauchten ein in das „Wohlfühl-Klangbad“ und reagierten begeistert auf die Darbietung. Die Performance rundete das breite Spektrum des zeitgenössischen Musikschaffens ab, das beim diesjährigen „texte und töne“ Festival aufgezeigt wurde.
Zwischen die Musikbeiträge waren Lesungen von Erika Kronabitter, Sarah Kuratle, Renate Aichinger und Ingrid Maria Kloser eingebettet. Aufhorchen ließen Jürgen-Thomas Ernsts Text „Vorfreude“ und vor allem das dreisprachige Spiel mit humorvollen Wendungen und sprachlichen Stilmitteln von Norbert Mayer und seinem Text „Fest“.

https://www.sov.at/konzerte/2022-23/texte-toene