Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Silvia Thurner · 07. Nov 2022 · Musik

Viel Musik auf kleinem Raum – das Symphonieorchester Vorarlberg und der große Publikumszuspruch sprengten bei „texte und töne“ beinahe den Rahmen

Alljährlich gastiert das Symphonieorchester Vorarlberg bei „texte und töne“ im ORF Funkhaus in Dornbirn und stellt neue Kompositionen vor. Der Publikumszuspruch war enorm und so füllten die Werkdeutungen von Kaija Saariaho und Klaus Lang und die Uraufführung von Wladimir Rosinskij den Raum des Publikumsstudios bis in den letzten Winkel des Saales aus. Mit vollem Elan musizierten die Orchestermusiker:innen unter der Leitung von Leonhard Garms. Der Flötist Alessandro Baticci beeindruckte mit seiner vielgestaltigen Tongebung.

Eine ausgezeichnete Werkauswahl hat Sebastian Hazod für den Auftritt im ORF Publikumsstudium zusammengestellt, denn die drei Kompositionen boten sehr unterschiedliche Zugänge zur Musik unserer Zeit. Während die finnische Komponistin Kaija Saariaho in ihrem Flötenkonzert den Atem, die Natur und den Vogelflug als Inspiration sowie als musikalische Sinnbilder verwendete, begeisterte das Werk „ionisches licht“ des steirischen Komponisten Klaus Lang durch seinen farbenreich schillernden Klangcharakter. Wladimir Rosinskijs Concerto grosso „Tunnels vom Colliseum 2“ nahm Bezug auf die Vereinzelung während der Corona-Pandemie. Tunnels und lange Wege bildeten die musikalische Ideenwelt ab, die der Komponist seiner bilderreichen Sprache zugrunde legte.
Die SOV-Musiker:innen waren aus mehreren Gründen stark gefordert. Auf der einen Seite boten die Räumlichkeiten für die Aufführung derart großer Orchesterwerke keine idealen Bedingungen. Die Klänge hatten im buchstäblichen Sinn zu wenig Entfaltungsraum. Darüber hinaus verlangte Wladimir Rosinskij insbesondere im zweiten Teil seines Werkes in rasendem Tempo eine große virtuose Exaktheit ein. Klaus Langs Komposition stellte höchste Anforderungen an das gegenseitige Hören, auf genau austarierte Tonproportionen, um rein klingende Intervalle von Tönen, die in mikrotonalen Abständen drifteten, genau zum Klingen und Leuchten zu bringen.

Schwingungsverhältnisse, die ganz unmittelbar berühren

Klaus Lang hat ein besonderes Gespür für Proportionen in der Musik. Unterschiedlichste Formen der Klangentfaltung in der Zeit bilden seine Ausgangsüberlegungen, die er auf Pythagoras‘ Proportionenlehre aufbaut. Reine Intervalle, Schwebungen in vielerlei Schattierungen, Tonbeziehungen zueinander und Tonqualitäten miteinander bewirkten bei der Werkdeutung des SOVs einen besonderen Sog und veränderten den musikalischen Fluss ständig. Insbesondere der zweite Teil des aussagekräftigen Werkes zog die Zuhörenden in seinen Bann, denn bewundernswert detailreich formten die Musiker:innen den Klangfluss aus. Doch bei allem Bemühen, dieses Werk würde einen größeren, akustisch attraktiveren Raum verdienen.

Vielgestaltiger musikalischer Erzählfluss

Kaija Saariaho vertonte in ihrem zweiteilig angelegten Flötenkonzert Bilder des Vogelfluges und setzte sie in Beziehung zu hervorragend instrumentierten und interpretierten Klanglandschaften. Als Solist entfaltete Alessandro Baticci den beschreibenden Flötenpart mit großen Phrasierungsbögen und einem ganz bewusst eingesetzten Luftfluss. Auf diese Weise wirkte sein Flötenton einesteils ätherisch und andernteils in sich belebt. Die Sprach- und Zischlaute boten zusätzliche Artikulationsmuster, die aufhorchen ließen, beeindruckend spaltete der Solist auch den Ton in Multiphonics.
Wladimir Rosinskij schuf mit seinem Concerto grosso ein mitteilsames Werk, das für die Musiker:innen zahlreiche reizvolle Aufgaben bereithielt. Besonders der zweite Satz der etwas überlangen Komposition hatte es in sich. Gut nachvollziehbar war das Eilen, Suchen, Drängen und doch nicht Vorwärtskommen, die Kommunikation zwischen einzelnen Stimmen, die den musikalischen Fluss abschnittsweise anführten und wieder im allgemeinen Trubel versanken, zu erleben. Einen wirkungsvollen Gegensatz zu diesem turbulenten Teil bildeten die nachfolgenden Klangflächen, die eine große Erwartungshaltung aufbauten. Einen etwas plakativen Eindruck hinterließ das Finale mit den Bläserchorälen und den effektvoll aufgebauten Klangtürmen.
Im ganzen Trubel hatte Leonhard Garms teilweise Mühe, das dichte Klanggeschehen im Zaum zu halten. Doch er leitete das Symphonieorchester Vorarlberg mit klarer Gestik und dirigierte mit sympathischer Ausstrahlung.

https://www.sov.at/konzerte/2022-23/texte-toene