Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 13. Mai 2022 · Musik

Schubert mit jeder Faser erleben – junge Komponist:innen und Musiker:innen transferierten Werke der Vergangenheit in die Gegenwart

Klaus Christa, künstlerischer Leiter der Musik in der Pforte, findet immer neue Wege, um traditionelle Kompositionen in Beziehung zur Gegenwart zu bringen. Für das vierte Abonnementkonzert bat er vier Komponierende in Resonanz mit Schuberts Deutschen Tänzen (D 783) zu treten und die Empfindungen in eine eigene Musik zu fassen. Raphaela Fröwis, Baran Mohammadbeigi, Darius Grimmel und Zuko Samela nahmen die Herausforderung an. Die Musiker:innen des InterNuevo Quartetts und des Metanoia Quartetts präsentierten die neuen Werke, die vom Publikum stürmisch gefeierten wurden. Dass die Keimzellen der Schubertschen Musik sowohl in den kleinen als auch in den großen Formen von derselben Qualität sind, stellte das Epos:Quartett mit einer intensiven Werkdeutung des Streichquartetts in G-Dur unter Beweis.

Raphaela Fröwis, Baran Mohammadbeigi, Darius Grimmel und Zuko Samela sind dem Pforte-Publikum als Komponierende und Musiker:innen bereits bekannt. Alle vier Beauftragten sind bzw. waren eng mit dem Vorarlberger Landeskonservatorium verbunden. Die aus Alberschwende stammende Komponistin und Pädagogin Raphaela Fröwis hat unter anderem Medienkomposition sowie elementare Musikpädagogik studiert. Darius Grimmel ist Kontrabassist und widmet sich derzeit neben seiner Unterrichtstätigkeit einem Studium der Musikvermittlung. Zuko Samela studiert Bratsche bei Klaus Christa und ist als Geigenbauer tätig. Baran Mohammadbeigi studiert in der Klasse von Mathias Johansen Violoncello. Eine kompositorische Ausbildung hat die aus dem Iran stammende Künstlerin bei Karen Keyhani erhalten.
Wohl viele aus dem Publikum und insbesondere klavierspielende Musikbegeisterte haben die 16 Deutschen Tänze von Franz Schubert im Ohr. Spannend bearbeitete der Cellist Fancois Poly die Werke für Streichquartett. Auf diese Weise zeigten sich die für Schubert so typischen Idiome aus einer neuen Perspektive. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Wege von Schubert zum Wienerlied und zum Wiener Walzer eines Johann Strauss nicht weit sind. Die charakteristischen Eigenschafen der Themenführungen, die eingängigen Melodien mit zahlreichen überraschenden Wendungen, rhythmische Akzentuierungen und die vielfach schimmernden harmonischen Klangfarbenwechsel brachten die Musiker:innen des Metanoia Quartetts (Raul Campos Calzada, Ahmad Shikh Sleman, Vl; Imgesu Tekerler, Va; Jonas Streit, Vc) und des InterNuevo Quartetts (Kristi Pleshti, Leopold Schwinghammer, Vl; Zuko Samela, Va; Baran Mohammadbeigi, Vc) hervorragend zur Geltung. Zwei der Komponierenden sind Mitglied des InterNuevo Quartetts. Vor der Präsentation der musikalischen Reflexionen stellte sich eine erwartungsfrohe Spannung ein. Die Intentionen und vor allem die individuellen Ausdrucksqualitäten von Raphaela Fröwis, Baran Mohammadbeigi, Darius Grimmel und Zuko Samela kristallisierten sich in den einzelnen Stücken rasch heraus.

Annäherungen an einen Großen

Raphaela Fröwis setzte in ihren vier Werken die tänzerischen Themen Schuberts und deren Rhythmik in einen neuen Sinnzusammenhang und formulierte daraus sinnliche musikalische Fragen. Das Innehalten und die treibenden Kräfte sowie harmonisch gefärbte Charakteränderungen zeichneten ihre Reflexion aus. Besonders in Erinnerung blieb die Betrachtung des Schuberttanzes Nr. 15, in dem die Komponistin den wiegenden Duktus unterstrich und die musikalischen Gesten in einen Folksong transferierte. Zuko Samela „skelettierte“ die Tänze Nr. 2 und Nr. 4, indem er auf der einen Seite die perkussiven Qualitäten betonte und die musikalischen Gesten originell auf die Quartettstimmen aufspaltete. Aufhorchen ließen auch die kanonischen Einsätze in der Antwort auf den fünften Schuberttanz. Die einzelnen Stimmführungen der Quartettmusiker:innen stellte Darius Grimmel in den Mittelpunkt seiner Werke. So verdichtete er beispielsweise den Satz in der Nr. 6 und ließ in der Nr. 8 die erste Violine solistisch in den Klangvordergrund treten. Humorvoll in Szene gesetzt erklang auch die Nr. 9 und ein spannender Diskurs entfaltete sich in der Reflexion auf den zehnten Schuberttanz. Klanglich feinsinnig verlieh Baran Mohammadbeigi der Replik auf den elften Tanz eine ganz eigene Ausdrucksqualität. Dicht verarbeitete sie auch die Nr. 13 und Nr. 14. Im letzten Tanz ließ ein Bordun im Violoncello aufhorchen, darüber setzte sie originell „switchende“ Idiome der europäischen Musik mit arabischer Musik und schuf damit einen bemerkenswerten Schlusspunkt.

Intensive Interpretationskraft

Im zweiten Konzertteil widmete sich das Epos:Quartett mit Christina Brabetz, Verena Sommer, Klaus Christa und François Poly dem großen G-Dur Quartett (D887) von Franz Schubert. Die Ambivalenz der emotionalen Themenführungen setzten die Musiker:innen ebenso feinsinnig wie aufgewühlt in Szene. In einer guten klanglichen Balance entfalteten sich die Quartettstimmen im gewichtigen Eröffnungssatz. Viel Raum nahmen die Kantilenen des Violoncellos im zweiten Satz ein, federnd artikuliert wirkten die Phrasierungen im Scherzo und rhythmisch straff kam die Dramatik im Finale zur Geltung. Die schwülen Temperaturen trieben den Musiker:innen die Schweißperlen auf die Stirn, doch alle musizierten energiegeladen und hinterließen einen großen Eindruck.

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