Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 06. Jun 2010 · Musik

Schräger Desert Rock von Giant Sand zum Seelax-Finale

Am Samstag Abend ging das zehnte Seelax-Festival, das heuer erstmals Anfang Mai bis Anfang Juni über die Bühne ging, um Lärmbelästigungen in Richtung Bregenzer Festspiele von vornherein auszuschließen, mit einem fulminanten Konzert von Howe Gelb & Co zu Ende. Festival-Organisator Willi Pramstaller zeigte sich zufrieden, da die Besucherzahlen trotz zeitlicher Vorverlegung im Schnitt der vergangenen Jahre liegen – an den 22 Veranstaltungstagen fanden rund 5.000 Interessierte den Weg auf den Platz der Wiener Symphoniker, wo heuer erstmals das Zelt aufgeschlagen wurde.

Eigenwilliger Gottvater des Wüstenrock

Howe Gelb hat vor 30 Jahren mit seinen Giant Sandworm, die er bald einmal in Giant Sand umbenannte, die Desert Rock-Welle ins Rollen gebracht, aus der dann unter anderem Bands wie Green On Red oder die äußerst erfolgreichen Calexico hervorgingen. Howe Gelb wurde zwar als „Gottvater des Wüstenrock“ bezeichnet, ihm selber blieben aber größere kommerzielle Erfolge verwehrt, da er sich von der Musikindustrie nie gängeln ließ und stets seinen wild wuchernden Phantasien den Vorzug gegenüber jeglichen Marktstrategien gab. Gelb zeigte sich stets für Experimente offen und liebt den genialen Einfall mehr als dessen perfekte Umsetzung. Diese Haltung liefert natürlich die ideale Nahrung für Kultstatus und Legendenbildung. Und allein schon, wenn er, den Borsalino lässig ins Gesicht gerückt, mit möglichst tiefer Bassstimme irgendwelche unverständlichen Geschichten ins Mikro brummelte, wurde klar – hier ist das Original.

Kunstvolles Aussparen der Perfektion

Freilich greift die Bezeichnung Desert Rock zu kurz für das kunterbunte musikalische  Sammelsurium, das Howe Gelb auch im Freudenhaus auf die Bühne brachte. Denn Howe ist kein Wüstenmensch, der seine Zeit mit der Klapperschlangen-Jagd in der sandigen Einöde Arizonas verbringt, sondern ein Großstadtmensch, der sich seine Ideen in der Metropole Tucson mit ihrer runden Million Einwohner holt. Da werden natürlich immer wieder mal die Country-Saiten angespielt, aber manchmal geht’s auch ganz schön rockig zur Sache, wie dies sonst nur Neil Young in seinen gelegentlichen Annäherungen an den Grungerock so glaubwürdig zustande gebracht hat, dann werden wieder kurze Ausflüge in den Barjazz unternommen oder durchaus mit Herzschmerz melancholische Balladen interpretiert – Vieles bleibt nur angedeutet, hingetupft, aber es ist gerade diese Lässigkeit im Umgang mit dem musikalischen Material, dieses kunstvolle Aussparen der Perfektion, das Giant Sand unverwechselbar macht.

Wüstentaugliche Dänen

Howe Gelb – dessen Vorfahren aus dem Burgenland stammen, wenn man dem „Standard“ glauben darf – macht es den Bandmitgliedern nicht eben leicht. Oft scheint er spontanen Eingebungen zu folgen, und seine Songs präsentiert er gerne mal im neuen Gewand. Da braucht’s eine Menge an Einfühlungsvermögen, um den musikalischen Gedankengängen des Großen Meisters folgen zu können. Anders Pedersen an der Gitarre und Steelgitarre und Mandoline, Nicolai Heymann an Gitarre und Keyboards, Thøger T. Lund am Bass und Drummer Peter Dombernowsky meisterten diese hohen Anforderungen großteils ziemlich souverän. Dabei dürfte es vielen Zuhörern gar nicht bewusst gewesen sein, dass da keine sonnengegerbten Musiker aus Arizona, sondern Dänen auf der Bühne standen.

Freudenhaus in Lustenau gefährdet

Letztes Jahr wurde das Freudenhaus mit großem Erfolg im Herbst in Lustenau reaktiviert. Die Planungsunsicherheit durch die im Raum stehende Nichtaufhebung der Kreditbindung seitens des Landes Vorarlberg dürfte dies heuer vereiteln, bedauert Willi Pramstaller: "Leider konnten wir vom Land Vorarlberg bis dato noch keine definitive Aussage zur im Raum stehenden Kürzung unserer Geldmittel - Stichwort Kreditbindung - erhalten, weshalb das Freudenhaus im Herbst wohl nicht wie geplant in Lustenau aufgestellt werden kann. Die Vorlaufzeit für Organisation, Planung und Werbung ist ohnehin schon sehr kurz."

Vielleicht sollte man sich beim Land einmal ernsthaft überlegen, ob man sich mit dieser peinlichen Kreditbindungs-Farce nicht selbst ins Knie geschossen hat!