Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Thorsten Bayer · 27. Jän 2012 · Musik

Schottische Sirenen aus San Francisco – Haight-Ashbury im Conrad Sohm

Am Donnerstagabend lebte die Hippie-Ära in Dornbirn wieder auf. Zu verdanken war das der schottischen Band Haight-Ashbury, die mit psychedelischem Folk, Instrumenten wie Sitar und Tamburin sowie einer elfengleichen Sängerin die Zuhörer in ihren Bann zog. Dass die drei vor vierzig, fünfzig Jahren wunderbar in den alternativen Stadtteil von San Francisco gepasst hätten, der ihnen heute als Namensgeber dient, machte der Auftritt im Conrad Sohn deutlich. Sowohl die Songs ihres Debütalbums als auch des Ende Februar erscheinenden Nachfolgers „The Ashburys“ nahmen das – leider etwas spärlich erschienene – Publikum gefangen.

Hannes Hagen war bereits vor dem ersten Stück ganz begeistert. „So ein toller Live-Sound, Wahnsinn“, schwärmte der neue Geschäftsführer des Prachtclubs Conrad Sohm von einem offensichtlich sehr eindrucksvollen Soundcheck. Der Ruf einer sehr außergewöhnlichen, eigenwilligen Band eilt dem Trio aus Glasgow voraus – zu Recht, wie Hannes Hagen nur bestätigen konnte. Erstaunlich, wie es der Band, die quantitativ weder bei der Besetzung noch bei den Instrumenten aus dem Vollen schöpft, gelingt, eine derartige musikalische Breite in Top-Qualität anzubieten. Unwillkürlich möchte man die Augen schließen, weil der optische Eindruck zu täuschen scheint: Sind das wirklich nur drei Leute dort auf der Bühne?

Kirsty im Zentrum der Aufmerksamkeit

Sängerin und Bassistin Kirsty zieht von Anfang an alle Blicke auf sich. Trotz ihrer Platzierung am Rand der Bühne ist sie eindeutig das Zentrum des Geschehens – kein Wunder angesichts ihrer blonden Wallehaare, des flatternden weißen Shirts und nicht zuletzt ihrer glockenhellen Stimme. Ein zartes Wesen, das ein bisschen an Heather Nova und ganz stark an einen Engel erinnert. Ihr Instrument scheint nur unwesentlich weniger auf die Waage zu bringen als die Künstlerin selbst.

Schwebender Sound mit Vorwärtsdrang

Neben ihr geht Kirstys Bruder Scott (als Nachnamen gibt übrigens jedes Bandmitglied einfach „Ashbury“ an) völlig unaufgeregt, aber eindrucksvoll seiner Arbeit nach. Ob E-Gitarre, Sitar oder Keyboard – er sorgt maßgeblich dafür, dass zum stets schwebenden Sound noch ein ausgeprägter Vorwärtsdrang dazukommt. Ihm gelingen auch abrupte Wechsel von sanftem Hall zu kreischender Gitarre mühelos und präzise. Die Bandbreite seines Spiels ist beeindruckend.

Zwei Geschwister und die beste Freundin

Für Drums und Percussion ist Jen zuständig, seit Kinderzeiten die beste Freundin des Geschwisterpaares. Wenn sie mit Kirsty zum zweistimmigen Gesang ansetzt und dabei eine fast hypnotische Stimmung verbreitet, ist die Assoziation zu Odysseus und den Sirenen nicht weit. Die Songs wirken wie aus einem Guss – ohne sich jedoch dabei zu wiederholen oder zu langweilen. Neben Stücken aus ihrem neuen Album „The Ashburys“ (Erscheinungstermin: 27. Februar) spielen Haight-Ashbury Material ihres Debüts „Here In The Golden Rays“. Der eine oder andere Song ist FM4-Hörern bekannt, allen voran „Freeman Town“, der etwa zur Hälfte des regulären Sets erklingt.

Schneewittchen würde Haight-Ashbury hören

Auf „Everything Is Possible“, einem Titel, der den Variationsreichtum der Schotten auch textlich auf den Punkt bringt, folgt mit „Favourite Song“ ein weiterer Hit. Das Online-Portal shitessite.de erinnerte er in einer Kritik an „das Lied, von dem Schneewittchen in ihrem gläsernen Sarg träumte“. Die ehemaligen Bewohner des Stadtteils von San Francisco – benannt nach der Kreuzung von Haight Street und Ashbury Street – hätten mit Sicherheit ihre helle Freude an ihren Schwestern und ihrem Bruder im Geiste. Musiker wie Janis Joplin oder Grateful Dead hatten in den 1960er-Jahren in Haight-Ashbury ihren Wohnsitz und prägten die dortige Szene.

Unterkunft mit besonderem Flair

Mit „Sophomore“, der aktuellen Single des Trios, endet das Konzert. Zwei Zugaben, darunter eine wunderschöne Klavier-Ballade und eine finale Midtempo-Nummer, bei der Jen den Leadgesang übernimmt, runden den Abend im Conrad Sohm ab. Dann sollte der gemütliche Teil für die Künstler beginnen – vorausgesetzt, die Unterkunft spielt mit. Dass das nicht immer der Fall ist, beweist eine Twitter-Meldung der Band vom Vorabend des Dornbirner Gigs. Das Hostel in Ljubljana, der vorherigen Station ihrer Tournee, sei ein ehemaliges Gefängnis gewesen. Immer noch seien Fenster und Türen mit Gitterstäben versehen. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Bleibe in Vorarlberg eine ungleich charmantere war.