Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 21. Jun 2022 · Musik

„Schauen, ob ich ich bin“ – die Schurken verleihen mit ihrem neuen Musiktheater „Vergissmeinnicht“ dem Älterwerden eine freudvolle Zuversicht

In ihren Musiktheaterproduktionen für Menschen jeden Alters wenden sich die Schurken oft gesellschaftlich relevanten Themen zu. Ihre neueste Produktion trägt den Inhalt schon im Titel. „Vergissmeinnicht“ handelt vom Alter und von der Demenz. Im Bregenzer Festspielhaus spielten und musizierten Martin Deuring (Kontrabass), Martin Schelling (Klarinette), Goran Kovacevic (Akkordeon) und Stefan Dünser (Trompete) mit einer bewundernswerten Selbstverständlichkeit und näherten sich dem komplexen Thema sensibel und klangsinnlich an. Die musikalische Werkauswahl brachte eine große Palette von Emotionen auf die Bühne und zum Publikum. Inspirierende Ideen trugen die Inszenierung, sodass die Schurken per Schiff, im Bus und in der Straßenbahn fahren und ihr Zelt an schönen Orten der Erinnerung aufschlagen konnten.

Der Plot zur Geschichte ist rasch erzählt. Vier alte Herren fristen ihr deprimierendes Dasein in einer Seniorenresidenz. Im Aufenthaltsraum treffen sie sich, ausgestattet mit Rollator und Zeitung sowie einer Schatulle mit Fotos und Ansichtskarten. Mit deren Hilfe geht der eine auf die Suche nach sich selbst, denn seine Demenz verwehrt ihm zeitweise den Zugang zur Realität.
In gesprochenen Passagen entwickelte sich ein feinsinniger Humor, der Einblick gab, was für den an Demenz erkrankten Mann bedeutend ist. Er selbst findet sich nett. Ob auf dem einen Bild seine Schwester oder seine Cousine abgebildet ist und wie sein Sohn nun wirklich heißt, sind ihm nicht wichtig. Jahreszahlen spielen keine Rolle, aber umso mehr die Gefühle, die an unterschiedliche Orte und Erlebnisse aus früheren Zeiten erinnern. Eine Brücke zur Gegenwart und zu seinen Freunden bietet die Musik.

Musikalisch auf Reisen

Einprägsam war jene Szene, als Martin Schelling zur Musik von Albin Bruns und Goran Kovacevic mit Rollator und Mozarts „Alla turca“ Fangen spielten. Abrupt wurden sie von Stefan Dünsers Trompetensignal gestoppt, denn ihr Freund konnte diesem wirbelnden Durcheinander in keiner Weise folgen und versank ganz in sich selbst.
Zum Ausdruck kamen die Emotionen insbesondere in den Musikstücken, mit deren Ausdrucksgehalt die Schurken Empfindungen und vor allem Stationen des Lebens in musikalischen Reisebildern nachzeichneten. Die hervorragend ausgewählten und originell ineinander verzahnten Werke entfalteten eine große Sogwirkung.
Eine herausragende Stellung im Gesamtgeschehen hatte Marcus Nigschs Werk „Der Lichtbringer“. Auf der einen Seite begeisterte die mitreißende Rhythmik und auf der anderen Seite ließen die fließenden Gesten aufhorchen, die Neues ankündigten.
Die Reise der vier Herren wurde mit wenigen Requisiten auf der Bühne illustriert. Besonders in Erinnerung blieben die sechs Hände, die den Kontrabass streichelten oder die Schattenspiele in den beleuchteten Zeltwänden, die die Träume des dementen Herrn begleiteten.
Debussys „Golliwogg’s Cakewalk“ sowie die umtriebige Polka von Christoph Dienz führte die vier alten Herren nach Tokio und zur Jasminblüte nach China. Im Bus auf Reisen waren die vier mit einem Traditional aus Armenien. Die trockene Hitze in Casablanca sowie die Farben der Seidenstraße waren besonders gut in Murat Üstüns Werk „Ipec, Yolu“ zu erleben. Jüdische Musik von Helmut Eisel lenkte den Blick nach Israel. Marcus Nigschs „Lichtbringer“ holte die vier Herren wieder zurück und mit Piovanis Hit „La vita è bella“ fanden die Schurken eine selbstredende Conclusio für ihr sinnliches und abenteuerliches Konzertstück.

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