„Rigoletto“ im Zirkus und Ritter „Don Quichotte“ in vielen Gestalten dominieren die Festspiele 2019
Alles Zirkus oder was? Nun ist die Katze zumindest teilweise aus dem Sack, und eines der bestgehüteten Geheimnisse der Bregenzer Festspiele ist (fast) keines mehr. Der Münchner Philipp Stölzl wird nach dreijähriger Vorarbeit bei seinem Debüt als Regisseur und Bühnenbildner am See in der kommenden Saison Giuseppe Verdis populäre Oper „Rigoletto“ ins Zirkusmilieu verorten. Zweites markantes Thema wird „Don Quichotte“ sein, der als der „Ritter von der traurigen Gestalt“ eine der prägendsten Figuren der Weltliteratur darstellt und in weiteren musikalischen und dramatischen Werken im Festspielprogramm 2019 aufscheint. Die 74. Bregenzer Festspiele dauern vom 17. Juli bis 18. August 2019 und umfassen über 80 Veranstaltungen.
Details dazu erfuhren internationale Pressevertreter am Mittwochvormittag in der passend zur Zirkusarena mit Lichterketten und Goldglitzer umfunktionierten Werkstattbühne im Rahmen einer Presseinformation. Den klugen Fragen von Pressesprecher Axel Renner stellte sich zunächst Präsident Hans-Peter Metzler, für den die überaus erfolgreich verlaufenen Saison 2018 die Vorgabe bedeutet, mit seinem gut aufgestellten Team optimistisch die neue Saison anzugehen. Dort wird übrigens das 70-Jahr-Jubiläum der einstigen „Festspiel-Gemeinde“ begangen, einer Art Bürgerinitiative für Kunst und Kultur, die damals als Vorläufer des heutigen Freundeskreises die drei Jahre zuvor gegründeten Festspiele unterstützte.
Narren statt Frauen
Während heuer im Festspielprogramm die Frauen dominierten, will die Festspielintendantin das Programm in ihrem fünften Sommer in Bregenz nun nicht einfach nur von Männern beherrscht sehen: „Ich möchte unseren roten Faden diesmal weiter fassen, und das sind einfach die Narren. Das ist ein Thema, das sich durch viele unterschiedliche Stücke zieht, natürlich ausgehend von Rigoletto.“ Dem kaufmännischen Direktor Michael Diem war es wichtig, dass die Marke Bregenzer Festspiele durch verschiedenartige Produktionen für ein breites Publikum geschärft wurde. Der Kartenvorverkauf für die bis jetzt fixierten 26 Vorstellungen von „Rigoletto“ am See verläuft im direkten Vergleich mit früheren Jahren durchaus im Spitzenfeld, derzeit sind bereits 40 Prozent der 185.000 aufgelegten Karten abgesetzt.
Mit besonderem Interesse werden die Ausführungen des deutschen Regisseurs Philipp Stölzl zu seinem Regiekonzept bei Verdis „Rigoletto“ am See verfolgt, einem international bis heute populären Opernhit, den man aus unerfindlichen Gründen erst nach über 70 Jahren Festspielen für den See entdeckt hat. Stölzl sagte ohne Zögern zu, als das Angebot von Elisabeth Sobotka an ihn erging. „Für mich wurde damit ein Traum wahr, das ist ein toller Moment in meinem Leben, dass ich hier arbeiten darf. Wir bemühen uns, etwas Außergewöhnliches hinzustellen.“
Verdi als Popmusiker
Stölzl weiter: „Man will natürlich dem Bisherigen hier etwas Neues hinzufügen. Das Stück ist wunderbar für den See geeignet, auch wenn es intim ist. Verdi ist ja so ein bisschen der Popmusiker unter den Opernkomponisten, man kann jede Melodie mit der Gitarre spielen oder nachpfeifen. Es ist Frontaltheater, und das ist für eine Situation wie hier mit 7.000 Leuten inmitten von Sommer-Feeling ein knalliges, aber tolles Stück, das wir mit jenem Spektakel, das es braucht, in die Zirkuswelt versetzen wollen. Trotzdem kann man auch Themen und Emotionen erzählen und auch raffinierte Figuren-Konstellationen aufrollen.“
Da bis heute fast jedes Kind die Hauptmelodie dieser Oper kennt, die Arie des Herzogs, „La donna è mobile“, zu Deutsch „O wie so trügerisch sind Weiberherzen“, und diese bereits vielfach in der Werbung vermarktet wurde, brauchte es für Elisabeth Sobotka auch kaum Risikobereitschaft für diesen Schritt auf die Seebühne: „Ich habe es fast als Geschenk empfunden, und ich freue mich wahnsinnig, dass es auch am See noch etwas für uns zu entdecken gibt. Es ist ein Stück mit einer mitreißenden Musik, bei dem auch ein Drama und eine Emotionalität aufgefächert wird, die das Stück unglaublich modern macht. Auch die gebrochenen Charaktere sind unglaublich spannend, und das ist für mich das Wunder Verdi, der uns auch heute noch etwas zu sagen hat.“
Trauriger Ritter in vielen Gestalten
Das Pendant als große, kaum bekannte Oper im Festspielhaus ist diesmal „Don Quichotte“ von Jules Massenet. In der 1910 uraufgeführten Comédie héroique auf der Grundlage des spanischen Schriftstellers Miguel de Cervantes vom Anfang des 17. Jahrhunderts machte ihn der französischen Komponist in dieser „Gesangsoper“ (Sobotka) zum leidenschaftlich Liebenden. Für die Inszenierung zeichnet, erstmals bei den Festspielen, Mariame Clément verantwortlich, am Pult steht mit Antonio Fogliani der heurige „Carmen“-Dirigent.
Das Thema zieht sich in der Rückkehr des Schauspiels fort. Zwei Tage nach der Opernpremiere im Festspielhaus zeigt das Deutsche Theater Berlin den Schauspiel-Klassiker „Don Quijote“ als Premiere in der Inszenierung von Jan Bosse mit den beiden deutschen Top-Schauspielern Ulrich Mathes und Wolfram Koch. Das Symphonieorchester Vorarlberg widmet dem Ritter von der traurigen Gestalt seine Konzertmatinee unter der Leitung von Ariane Matiakh mit Werken von Maurice Ravel, Jacques Ibert und Richard Strauss, bei „Musik und Poesie“ gibt es eine Verschränkung beider Themen: eine barocke Version von „Don Quichotte“, während derer Michael Köhlmeier laut über Narren unserer Zeit nachdenken wird.
Die Wiener Symphoniker bringen in ihren Orchesterkonzerten unter Ex-Chefdirigent Fabio Luisi das berühmte Verdi-Requiem zur Aufführung, mit einer tragenden Rolle für den Prager Philharmonischen Chor, der damit sein zehnjähriges Jubiläum bei den Festspielen begeht. Noch-Chefdirigent Philippe Jordan wird in zwei weiteren Konzerten alle vier Symphonien von Johannes Brahms aufführen.
Opernstudio in fünfter Auflage
Das Opernstudio geht mit jungen Künstlern nach Mozart und Rossini in fünfter Auflage weiter mit Tschaikowskys Oper „Eugen Onegin“. Regie führt Jan Eßinger, Valentin Uryupin dirigert das Symphonieorchester Vorarlberg. Die bisher von Brigitte Fassbaender betreute Meisterklasse wird mit Dmitry Vdovin, Chef des Opernstudios am Bolshoi-Theater Moskau, fortgesetzt.
Zum Festspielfinale gibt es eine Musiktheater-Uraufführung auf der Werkstattbühne, mit einer „Wunderwandelwelt“ benannten Installation des französischen Künstlers Francois Sarhan, in Kooperation mit dem Zentrum für elektroakustische Musik und den Donaueschinger Musiktagen. Ebenfalls auf der Werkstattbühne ist in Koproduktion mit der Neuen Oper Wien als Österreichische Erstaufführung das Musiktheaterstück „Der Reigen“ nach Arthur Schnitzlers gleichnamigem Schauspiel zu sehen. Das 2012 von Komponist Bernhard Lang und Librettist Michael Sturminger geschaffene Werk wird von Alexandra Liedtke inszeniert. Denselben Stoff verarbeitet die in Bregenz wohlbekannte Musicbanda Franui unter dem Titel „Arthur Schnitzler: Reigen“ zu einem Konzert mit Drama, bei dem der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf sämtliche Rollen übernimmt.
Schließlich geht auch das Opernatelier in die zweite Runde. Elisabeth Sobotka vergab im Vorjahr an den Vorarlberger Alexander Moosbrugger einen Kompositionsauftrag für eine Oper, deren Entstehung bei sogenannten „Einblicken“ verfolgt werden kann, der nächste ist am 21. November im Kunsthaus Bregenz. Bereits zuvor, im Sommer, soll dort ein Konzert mit Werken stattfinden, die Moosbrugger in seinem Schaffen geprägt haben. Die Uraufführung des noch namenlosen Werkes ist für 2020 geplant.