Neu in den Kinos: „Ein kleines Stück vom Kuchen“ (Foto: Alamode)
Silvia Thurner · 16. Nov 2018 · Musik

Neue Streichquartettkompositionen zum Jubiläum – das Quatuor Diotima begeisterte am Eröffnungsabend der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik

Die Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik feiern in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen und sind aus diesem Grund musikalisch hochkarätig besetzt. Am Eröffnungsabend musizierte das Quatuor Diotima und faszinierte mit einer atemberaubenden Klanggebung und einer inspirierenden Spielart, die allen Werkdeutungen zugrunde gelegt war. Anlässlich des Jubiläums ergingen Kompositionsaufträge an die ehemaligen künstlerischen Leiter des Festivals. Während G. F. Haas lediglich einen musikalischen Gruß sandte, war Wolfram Schurig mit dem ausdrucksstarken Werk „Ricercata“ vertreten, das in Bludenz erstmals erklang. Reminiszenzen an die Vergangenheit stellten die Aufführungen der 2. Streichquartette von G. F. Haas und György Ligeti dar. Darüber hinaus rundeten die beiden Werke der japanischen Komponistinnen Misato Mochizuki und Malika Kishino das anregende Konzerterlebnis in der fast voll besetzten Bludenzer Remise ab.

Keine langen Jubiläumsreden standen auf dem Programm des Eröffnungsabends der Bludenzer Tage zeitgemäßer Musik. Das war angenehm und zeigte auf sympathische Weise, dass in diesem Rahmen nicht Worte, sondern geistreich zueinander in Beziehung gesetzte Töne im Zentrum des Interesses stehen.
Das Programm mit drei Uraufführungen, einer österreichischen Erstaufführung sowie zwei älteren Kompositionen, die sozusagen als Referenzwerke fungierten, hat die derzeitige künstlerischen Leiterin Clara Iannotta gut konzipiert. Drei Kompositionen spiegelten auch musikhistorische Bezüge wider. Wolfram Schurig bezog sich auf eine Instrumentalform der Renaissancezeit, Georg Friedrich Haas stellte eine Verbindung zu Schubert her und György Ligetis Werk fußte unter anderem auf Bela Bartok und Alban Berg.
Hervorragende Werkdeutungen waren garantiert, denn die Musikerin Constance Ronzatti (Violine) und die Musiker Yun-Peng Zhao (Violine), Franck Chevalier (Viola) und Pierre Morlet (Violoncello) des Quatuor Diotima zählen zu den Besten ihres Faches. So wirkten selbst die komplexesten Passagen natürlich und klar in der Tongebung sowie virtuos ausbalanciert.

Mit Blick auf die Tradition

Von diesem Geist lebte auch die Uraufführung von Wolfram Schurigs neuestem Werk „Ricercata“, der erste Satz aus den vier Bagatellen. Darin entwickelte sich ein spannungsgeladenes Spiel aus einer in immer neuen Gestalten erklingenden aufsteigenden Floskel, die virtuos kontrapunktiert durch den musikalischen Satz driftete bis sich die Stimmen zum Schluss hin fanden. Die Sonderrolle des Violoncellos, das abschnittweise als Impulsgeber eine dominantere Stellung innerhalb des dichten Gesamtgefüges einnahm, ließ aufhorchen und bot Orientierung.
Georg Friedrich Haas sandte zum Jubiläum einen „musikalischen Gruß“, denn mehr stellte das knapp zweiminütige Werk nicht dar. Allerdings bot die Darbietung eine ideale Einleitung in die Klangwelt des 2. Streichquartetts von Georg Friedrich Haas. Dieses ist bereits vor 20 Jahren entstanden, als der Komponist immer differenzierter die Obertonreihe und die spektral aufgespalteten Klangqualitäten als musikalisches Grundmaterial der musikalischen Gestaltung verwendete. Das Quatuor Diotima formte die Musik mit einem atmenden Duktus sowie sehr transparent und kehrte das Innenleben der Töne heraus.

Japanische Komponistinnen

Die japanische Komponistin Malika Kishino beschäftigte sich in ihrem Werk „Naki-ryu II“, das ebenfalls uraufgeführt wurde, mit spezifischen Echowirkungen in einigen japanischen Tempeln. Während auf der Bühne die Viola und das Violoncello postiert waren, erklangen die beiden Violinen von hinten. Der dadurch erschlossene Raum nahm die Zuhörenden in die Mitte. Abwechslungsreich kommunizierten die Stimmen miteinander, so dass die unterschiedlichen Imitationsmustern gute Unterhaltung boten. Dem Werk „Brains“ legte die japanische Komponistin Misato Mochizuki neurologische Forschungen zugrunde. Die Musik als organisches Gefüge wurde mit pulsierenden Tonrepetitionen versinnbildlicht, unterschiedliche Aktionen zwischen den Instrumenten sowie Aktionsmuster und Reaktionen darauf spiegelten sich in verschiedenen Energiezuständen und Dichteverhältnissen wider. Doch relativ rasch wirkte die musikalische Gestaltung allzu vorhersehbar und verlor dadurch ihren Reiz.

Abenteuer Interpretation

Als „Referenzwerk“ stand das berühmte zweite Streichquartett von György Ligeti, es ist vor nunmehr fünfzig Jahren entstanden, auf dem Programm. Die Werkdeutung des Quatuor Diotima war ein herausragendes Abenteuer, das die Raffinesse und Weitsichtigkeit des Komponisten zur Geltung brachte.