Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thomas Kuschny · 17. Nov 2018 · Musik

Grenzenlos gleich hinter der Grenze - Jakob Bro in der Tangente Eschen

Was an der hiesigen, geneigten Hörerschaft in großen Teilen vorübergegangen zu sein scheint: Gleich über der Grenze im liechtensteinischen Eschen befindet sich, mitten in der Einfamilienhaus-Wüste, ein kleiner Jazzclub namens Tangente. Dieser feiert demnächst sein 40(!)-jähriges Jubiläum und bietet jahrein, jahraus exquisite Konzerte, mitunter auch mit echten Kapazundern des Genres. Zu Letzteren kann man, trotz überschaubaren Bekanntheitsgrads, getrost auch den Dänen Jakob Bro zählen, der mit seinem Trio vor vollem Haus das neue Album „Bay of Rainbows“ präsentierte.

Dabei erweist er sich als einer der uneitelsten Gitarristen dieses Planeten, man weiß ja, daß sich auch in dieser Fraktion nicht wenige prätentiöse Hypervirtuosen tummeln, denen Selbstdarstellung wichtiger als Inhalt ist.
Bro spielt während des ganzen Konzerts genau Null klassische Soli, auch vordergründige Komplexheiten sind ihm völlig fremd. Hochkonzentriert hört er auf seine Mitstreiter (diese tun es ihm selbstredend gleich) und nimmt sich zurück, wo immer es geht. Zusammen mit dem ähnlich agierenden Kontrabassisten Thomas Morgan allein würde die Mischung vielleicht etwas zu kontemplativ wirken. Einer sorgt aber dafür, dass dem nicht so ist: Joey Baron, New Yorker Schlagzeuglegende und Sideman bei unzähligen stilbildenden Aufnahmen im Avantgarde-Sektor, sorgt nämlich immer dann für Spannung, wenn es nötig ist. Meistens mit Besen oder Sticks in Stricknadel-Dicke ausgestattet, kann er, schelmisch grinsend, den Hörer rhythmisch ganz schön in die Irre führen. Den Bassisten, der dabei die Form halten muss, möchte man nicht beneiden. Derlei Ausbrüche sind aber selten und wirken eben deswegen umso mehr.

Die Kompositionen sind oft sehr schlicht gehalten, die Vorgaben an die Mitmusiker wohl ähnlich spärlich. Einfache Melodien von hohem Wiedererkennungswert, man mag fast von Ohrwürmern sprechen, tauchen immer wieder aus frei improvisierten Klanggemälden auf. Bro bedient sich zahlreicher, oft sehr verfremdender Effekte, das Spektrum seiner augenscheinlich betagten pinken Telecaster erweitert er damit souverän und nie ohne Geschmack.

Drei Dinge sind es, die diese Musik einzuordnen helfen: Jakob Bro ist Skandinavier, er veröffentlicht bei ECM und alle drei Musiker hatten in verschiedensten Projekten mit Bill Frisell zu tun. Dessen Handschrift ist nicht zu überhören. Somit tun sich weite, nordische, grenzenlose Landschaften auf, das Soundgewand ist dabei durchaus labeltypisch, der Hauch Americana aber auch präsent. Durchwegs fließende Linien, in denen die Eins im Puls völlig zu verschwinden vermag. Nur selten wird die Lautstärke erhöht, das letzte Stück könnte auch Soundtrack zu Jarmuschs „Dead Man“ sein, gar jenen von Neil Young trefflich ersetzen.

Das will was heißen!