Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 12. Nov 2021 · Musik

Reisen im Leben und in der Musik – erfrischendes Marcus Nigsch-Porträtkonzert in Lustenau

Ein Fest unter Freunden und für Freunde war das sechste Abonnementkonzert im Reichshofsaal in Lustenau. Der Komponist selbst erzählte von seinem Werdegang, ausgehend von der Popbrache über die Filmmusik bis zur symphonischen Musik in den Werken „Imáges vivas“ und dem Akkordeonkonzert „Leptir“. Mit großem Engagement spielte die hervorragend besetzte „Sinfonietta Vorarlberg“ unter der Leitung von Benjamin Lack und bewundernswert nuanciert musizierten Monica Tarcsay am Konzertmeisterinnenpult sowie der Akkordeonist Goran Kovacevic. Die Zuhörenden tauchten in Marcus Nigschs vielgestaltigen musikalischen Kosmos ein, der auch den Wohlfühlfaktor nicht außer Acht ließ.

Als Filmmusikkomponist feiert der in Feldkirch lebende Komponist große Erfolge. Unter anderem hat er die Musik zur vielfach ausgezeichneten Dokumentation „Das große Welttheater“ anlässlich des Jubiläums „100 Jahre Salzburger Festspiele“ von Beate Thalberg komponiert. Dass das Kulturreferat Lustenau, Bernd Konzett als umtriebiger Leiter der „Sinfonietta Vorarlberg“, der Dirigent Benjamin Lack und die Orchestermusiker:innen zusammen gewirkt und die Musik von Marcus Nigsch vor den Vorhang geholt haben, war ein Ereignis mit Seltenheitswert.

Marcus Nigsch führt durchs Programm
Marcus Nigsch hat eine sympathische und humorvolle Ausstrahlung. Sogleich bei seiner Begrüßung zu seinem Porträtkonzert im Lustenauer Reichshofsaal stellte sich eine gelöste Atmosphäre ein. Einblicke in die spezielle musikalische Welt des Films, in dem die Musik maßgeblich zum emotionalen Erleben der Bilderwelten beiträgt, bot die „Sinfonietta Vorarlberg“ mit Suiten zur Serie „Der Blunzenkönig“ und „Die Mamba“. Marcus Nigsch stellte die Werke extra für das Proträtkonzert zusammen.
All jene, die den „Blunzenkönig“ mit Karl Merkatz in der Hauptrolle kennen, hatten ihr Vergnügen an dieser mit wienerischem Touch und im Charakter einer Ouvertüre komponierten Musik. Die Themen wirkten melancholisch, strahlten aber auch eine gelassene Heiterkeit aus.
Die Suite zum Film „Die Mamba“ war heterogener angelegt. Es erklangen dunkle Orchesterfarben, ornamental ausgeschmückte Soli in den Holzbläsern und eine schwülstig aufgeladene Orchesterpassage mit breiten melodischen Bögen. Marcus Nigsch verstand es in seinen Moderationen, das Publikum in den Charakter der Filme einzuführen und eine Spur für das musikalische Hörerlebnis zu legen. Zugleich regte er zum Weiterdenken an. „Wie viel Butter gehört auf’s Brot?“ fragte er sich beispielweise beim Überlegen darüber, wo Kitsch beginnt und was Kitsch überhaupt sei.

Farbenreich instrumentierte und mitteilsame symphonische Werke
Das achtteilige Werk „Imáges vivas“ ist ursprünglich für Bandoneon und Streichquintett entstanden. In Lustenau waren die vom Tango Nuevo inspirierten Stücke in der Fassung für Akkordeon, Streichquintett und Orchester erstmals zu hören. Die Geigerin Monica Tarcsay ist eine Spezialistin für den argentinischen Tango und die für dieses Genre typische Artikulation und Tongebung. Sie war ursprünglich auch die Auftraggeberin für die Komposition und wusste genauestens über die Intentionen der einzelnen musikalischen Abschnitte Bescheid. So gelang die authentische Interpretation jedes einzelnen Parts, denen Marcus Nigsch aufschlussreiche Titel, wie „Trunken lebendig“, „Der schüchterne Tänzer“, „Licht und Wein“, „Ungenaues Fühlen“, „Leiden und Lachen“, „Die Bestie Schuld“, „Ein Becher Lust“ sowie „Das Reich des Schlafenden“ zugrunde gelegt hatte. Tatsächlich spiegelten die Überschriften die musikalisch bilderreich ausgestalteten Gefühlswelten wider. Eine große Lebendigkeit verströmten die raffiniert geschichteten rhythmischen Felder. Immer wieder wurde der musikalische Fluss angehalten und es erklangen sinnliche Soli oder leidenschaftliche Dialoge zwischen den Instrumentalstimmen. Neben spieltechnischer Abwechslung zeigte sich auch, dass Marcus Nigsch ein Meister der Instrumentation ist. Alle Sätze wirkten transparent, so dass die musikalische Intention gut nachvollziehbar zur Geltung kam.
„Leptir“ ist dem Akkordeonisten Goran Kovacevic auf den Leib geschrieben. Die Reise der Monarchfalter war die Inspiration zu diesem Werk und sie wurde sinnlich in die Musik transferiert. Das Akkordeonkonzert lebte von fein verwobenen, flirrenden Klangflächen, virtuosen Tongirlanden über große Distanzen hinweg, einem ausdrucksstarken Einsatz des Akkordeons als Luftinstrument sowie Dialogen zwischen dem Solo- und dem Orchesterpart.
Benjamin Lack leitete die Musiker:innen der „Sinfonietta Vorarlberg“ mit Esprit und einer Körpersprache, die den Geist der Musik von Marcus Nigsch auch optisch vermittelte. Mit herzlichem Applaus dankten die Zuhörenden für den besonderen Abend. 

www.marcusnigsch.com