Petrit Çeku im Vaduzersaal: Seine Gitarre ist auch ein Klavier
Schon die Programmzusammenstellung klang wie ein Wunschkonzert. Carl Maria von Weber mit seiner „Jubel-Ouvertüre“, Joaquín Rodrigos „Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester“ und Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 in e-Moll, op. 95, „Aus der Neuen Welt“ – Werke von großer Popularität, bei denen so manche Melodie zum Mitsummen verführte. Dazu stand mit Kevin Griffiths ein Temperamentsbündel am Dirigentenpult, der zügige Tempi liebte und kurzes Dahinträumen erlaubte. Ein Dirigent wie der letzte Satz der Dvořák Sinfonie: „Allegro con fuoco“.
Rasanter Auftakt mit Carl Maria von Weber
Die „Jubel-Ouvertüre“ von Carl Maria von Weber kam zu Beginn vorwärtsstürmend und triumphierend daher. Leider ging dabei gegen Ende auch die berühmteste Melodie etwas unter, in der die Liechtensteiner Hymne gut zu erkennen ist. Der rasante Einstieg war aber eine gute Vorbereitung für das kommende Werk „Concierto de Aranjuez für Gitarre und Orchester“ von Joaquín Rodrigo. Schon der Komponist umspannt ein ganzes Jahrhundert, Rodrigo wurde 1901 geboren und starb 1999. Mit seinem Konzert über die Gärten von Aranjuez machte er sich unsterblich.
Auf nach Spanien mit leiser Gitarre
„Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende“, heißt es in Schillers „Don Carlos“. Mit dem Werk von Rodrigo, aber vor allem mit der Interpretation von Petrit Çeku, haben diese schönen Tage an diesem Abend begonnen und werden nie enden. Denn ein Künstler wie Çeku macht Rodrigos Musik zu einer magischen Erzählung, die sich in der Erinnerung einnistet. Spielte er wirklich auf seiner Ross-Gutmeier-Gitarre, oder machte sie alles von selbst? Es schien, als würde der Musiker die Saiten gar nicht berühren, seine schmalen langen Finger glitten darüber hinweg und doch zauberten sie mit jedem Moment feinste Töne. Vor allem beim bekannten „Adagio“ erinnerten die Klänge an barocke Idyllen, sie bauten Räume für melancholische Stimmungen, in der sich die Hauptmelodie wehmütig vortastete und in Dialog mit anderen Soloinstrumenten wie Englischhorn, Fagott und Horn trat. Alles war mild und weich. Denn auch das konnte die Gitarre von Çeku – behutsam und nahezu zärtlich kreierte ihr Meister Klanggebilde, die wiederum vom Orchester aufgenommen und weitergeführt wurden. Dabei zeigte sich, wie sensibel Kevin Griffiths das SOL führen konnte, wie feinfühlig er Schwingungen aufnahm und umsetzte. Das war ein perfektes Miteinander von allen Beteiligten, ganz so, als hätte sich die Musik verselbständigt.
Wie eng diese Verbindung im Laufe des Musizierens wurde, zeigte der letzte Satz. Beim „Allegro gentile“ schienen Solist und Orchester in einem Pas de Deux gemeinsam über die Bühne in den Zuschauerraum zu wirbeln. Der Applaus war heftig, es folgten zwei Zugaben des Solisten. Am Ende der zweiten Zugabe blieb es sekundenlang still, bis sich auch der letzte Ton dieser magischen Gitarrenklänge in die Decke des Vaduzersaals zurückgezogen hatte, erst dann wurde heftig applaudiert. Petrit Çeku hatte gezeigt, dass eine Gitarre so viele Saiten wie ein Klavier Tasten haben kann.
Aufbruch zu neuen Welten
Es war nicht einfach, nach dieser feinfühligen Zusammenarbeit wieder zurückzufinden in Dvořáks „Neue Welt“. Das Orchester schien sich damit im ersten Satz noch schwer zu tun, im „Largo“ fand es zu einem schwebenden Klang und im „Scherzo“ war auch Kevin Griffiths wieder in seinem Element, er baute es auf wie einen Krimi, da wurden mit Melodien Fährten gelegt, denen alle folgten, bis die Spur zu neuen Wendungen führte und sich damit neue Spannungen aufbauten. Ein Aufbruch in neue Welten, in dem Ungewohntes passiert und Fremdes vertraut wird.
Das Publikum dankte mit großem Applaus und machte sich auf in das Schneegestöber vor dem Vaduzersaal und einem Schloss, das in seinem mystischen Nebel geradewegs aus Dvořáks Neuer Welt zu kommen schien.