"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Fritz Jurmann · 06. Aug 2015 · Musik

Opernstudio der Festspiele nimmt Gestalt an - Mozarts „Cosi fan tutte“ zwischen Sängersein und Menschsein

Die innovativste Idee, die Intendantin Elisabeth Sobotka zu ihrem Amtsantritt bei den Bregenzer Festspielen eingebracht hat, nimmt nun zur Halbzeit ihrer ersten Saison Gestalt an. In einem „Opernstudio“ wird seit November mit jungen Solisten großteils aus dem Opernstudio der Berliner Staatsoper „Unter den Linden“ unter professioneller Anleitung Mozarts „Cosi fan tutte“ erarbeitet. Am Donnerstag wurden in einem Pressegespräch unter der gewohnt fachkundigen und lockeren Moderation von Pressesprecher Axel Renner Details zu diesem besonderen Projekt bekannt. Premiere am Kornmarkt ist am 17. August, eine Fortsetzung mit weiteren Mozartopern und einem „Bregenzer Ensemble“ ist geplant.

Experiment und Investition


Sobotka kommt gleich ins Schwärmen: „Das ist für mich ein Experiment und eine Investition in die Zukunft. Sinn und Idee war es, einen Raum und einen Ort zu schaffen, wo sechs bereits professionelle junge Menschen mit zwei hoch erfahrenen Fachleuten sich erproben können. Es geht dabei nicht allein um die Ausbildung, sondern es soll davon am Ende auch eine Vorstellung geben, mit all ihren Besonderheiten wie dem Umgang einer Sängerpersönlichkeit mit einer Rolle und auch mit den psychologischen Zusammenhängen gerade bei ‚Cosi‘. Auch für das Publikum dürfte das eine ganz besonders spannende Produktion werden, die den Leuten ganz einfach auch Spaß macht.“

Regisseur ist der in Rostock geborene Jörg Lichtenstein, der von der Oper, mehr aber aus dem Schauspiel kommt. Legt er sein Schwergewicht auf das Musikalische oder das Darstellerische? „Ganz große Oper ist dann, wenn beides zusammenkommt“, gibt er sich diplomatisch. „Aber Oper ist etwas, was mich auch persönlich nie losgelassen hat in meiner Laufbahn. Und ich habe dabei erkannt: Es gibt nicht auf der einen Seite das Singen und dann trotz des Singens noch eine Aktion, es gibt nur beides gemeinsam. Und darum macht es auch solchen Spaß, mit ganz jungen Sängern zu arbeiten, die das noch nicht haben, was wir uns so mühsam erkämpfen mussten.“

Professionell aufgepepptes Nachwuchsprojekt


Dirigent Hartmut Keil, seit 2008 Kapellmeister an der Oper Frankfurt, bereits im Vorjahr bei der „Zauberflöte“ in Bregenz tätig, wird heuer auch die österreichische Erstaufführung von „Der Goldene Drache“ von Peter Eötvös leiten: „Für mich ist diese ‚Cosi‘ eine ganz normale Produktion wie an einem normalen Theater auch. Und ich hoffe, wir werden auch hier die angestrebte professionelle Qualität erreichen, die das über ein bloßes Low-Budget-Nachwuchsprojekt hinaushebt. Was uns auszeichnet, ist die Vorbereitungszeit. Ich war im März schon in Berlin, um Dinge vorzubereiten, und ich hatte hier fünf Tage Zeit, um musikalisch zu probieren – das ist wirklich ein Luxus. Und es war ein Traumstart für uns, dass jemand wie Brigitte Fassbaender uns in einer Meisterklasse noch ihre Erfahrung mit auf den Weg gegeben hat.“

Regisseur Lichtenstein will die Handlung zunächst auf der Hinterbühne einer Oper  beginnen lassen: „Ich habe nach einem Ort im Halbdunkel gesucht mit seinen merkwürdigen Vorbereitungs-Ritualen, diesen Zwischen-Zuständen, die die Künstler erleben, wenn sie von der Bühne kommen und bevor sie wieder auftreten. In diesem Ausnahmezustand entsteht eben auch eine so hirnrissige Männer-Wette, dass ihre Frauen bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Treue brechen, und damit das zentrale Thema mit all seinen Folgewirkungen. Also die Männer erlauben sich nicht allein einen Scherz mit den Frauen, die Frauen wissen davon und lassen sich bewusst auf dieses Spiel ein.“ Die 1790 nach einem Libretto von Lorenzo da Ponte uraufgeführte Mozartoper heißt ja im Untertitel „Die Schule der Liebenden“.

Neu entdeckte Monogamie


„Aktuell“ wird die Inszenierung von Regisseur Lichtenstein in dem Sinne sein, „dass sie dem Gefühl unserer Zeit entspricht, in der auch von ganz jungen Leuten die Monogamie wieder neu entdeckt wurde und wir unsere Beziehungen wieder genauer absichern. Das war in den 70er, 80er-Jahren noch ein bisschen anders. Ich finde einfach, die Kategorisierung mit dem Versuch, Risiken zu vermeiden oder sich emotional nicht in Gefahr zu begeben, oder wenn, dann nur am Wochenende – darin hat das Stück als Mozarts persönlichste Oper angesichts seines eigenen Privatlebens natürlich große Aktualität.“

Über ihre ersten Erfahrungen mit diesen für sie neuen Rollen-Vorgaben berichten bei diesem Pressegespräch erfrischend locker und entspannt zwei der sechs Darsteller, die portugiesische Sopranistin Sónia Grané als Despina und der in Radolfzell am Bodensee aufgewachsene Bariton Maximilian Krummen als Guglielmo. Dirigent Hartmut Keil lobt ihren Einsatz: „Ich habe ganz großen Respekt vor der Leistung der Sänger, die ja fast die ganze Zeit über auf der Bühne stehen und damit gemeinsam das Stück ‚tragen‘. Weil diese Oper zu den Meisterwerken gehört, bei denen einfach alles drin ist. Zum einen natürlich szenisch mit dem ‚Spiel im Spiel‘, dann musikalisch mit Arien, die zum Schwierigsten des Repertoires gehören und herrlichen Ensembles. Ich möchte ihnen allen dabei helfen, in freundschaftlicher Atmosphäre ihre optimale Leistung abzurufen.“ Als Orchester wurde dazu das SOV verpflichtet.

„Cosi“ zum ersten Mal bei den Festspielen


„Cosi fan tutte“ wird damit übrigens zum ersten Mal in 70 Jahren Bregenzer Festspiele hier gespielt. Fortgesetzt werden soll das Opernstudio in den nächsten Jahren mit Mozarts weiteren beiden Da-Ponte-Opern, „Don Giovanni“ und „Le nozze di Figaro“. Sobotka: „In diesen drei Opern ist alles drin, musikalisch, szenisch, inhaltlich, psychologisch – da gibt es für junge Sänger alle Fassetten des Sängerseins und des Menschseins auf der Bühne.“ Der Intendantin schwebt überdies für die Zukunft so etwas wie ein „Bregenzer Ensemble“ vor, bei dem später Leute aus dem Opernstudio in den Hauptproduktionen am See und im Haus mitwirken sollen. Derzeit sind rund zwei Drittel der aufgelegten ca. zweitausend Karten für die Premiere und weitere drei Vorstellungen gebucht.

 

Opernstudio der Bregenzer Festspiele:
„Cosi fan tutte“ – Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
Premiere: Mo, 17. August; weitere Vorstellungen Di, 18., Do, 20., Sa, 22. August, jeweils 19.30 Uhr, Theater am Kornmarkt, Bregenz
Tickets unter 0 55 74 / 407-6 und www.bregenzerfestspiele.com