Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Thomas Kuschny · 21. Okt 2018 · Musik

Neues aus dem Fach „ProtoPostPunkJazz“ - „KUU!“ im Dornbirner Spielboden

Einst, und das ist wirklich lange her, gab es eine Zeit, in der es etwas leichter für den gemeinen Plattenhändler war, Neuerscheinungen in die dafür vorgesehenen Fächer einzuordnen. „Rock“, „Jazz“, „Folk“, „Klassik“ und ein paar mehr, fertig! Na ja, die Lust der Kunst an der Melange hat zugenommen, die Schubladisierungswut nicht minder, nur die Zahl der Plattenhändler wird zusehends überschaubarer. Der virtuelle Laden behilft sich ja mit personalisierten Algorithmen. „Das könnte dir auch noch gefallen.“ - Die Blase läßt grüßen! Nun also, wohin aber mit der Band „KUU!“?

Der Bandname mag auf eine deutsche Kraut-Rock Kommune der frühen Siebziger hinweisen, eine kurze Recherche ergibt aber: „Kuu“ heißt auf finnisch „Mond“. Kalle Kalima, waschechter Finne, ist schnell als Kopf der Truppe ausgemacht. Von ihm stammt das Gros der Kompositionen, er gibt die Tempi vor, bürdet sich als Gitarrist auch noch einen zusätzlichen Part auf: Die oberen Saiten seines Instruments kann er per Schalter oktaviert auch in einen Bassverstärker leiten, mithin ist es ihm möglich, parallel zu Akkorden auch das nötige tiefe Fundament gleich mitzuliefern.
Er hat also einiges zu tun und überlässt dem Berliner Haudegen Frank Möbus an der zweiten Gitarre die solistischen Ausflüge. Deren Stilistik ist es dann auch, die am ehesten den Begriff „Jazz“ im Klassifizierungsversuch rechtfertigt.
Komplettiert wird das Quartett zum einen durch den vom Magazin „Der Spiegel“ recht treffend als „Kreativberserker“ bezeichneten Schlagzeuger Christian Lillinger, der als Sideman schon mit jungen Jahren eine ziemlich eindrucksvolle Arbeitgeberliste vorlegen kann. Zum anderen agiert sozusagen als Frontfrau am Mikrofon eindrucksvoll die Serbin Jelena Kuljic, die als Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele auch als Schauspielerin zu reüssieren weiß. Es ist übrigens kaum zu glauben, dass aus so einer zierlichen Person eine derart mächtige Stimme kommen kann.
Mit sicherer Intonation und beträchtlichem Stimmumfang kann sie locker mit den ebenso eindrücklichen Fähigkeiten der Instrumentalisten mithalten.
Der Chef, Kalle Kalima, könnte die geneigte Hörerschaft ja nur insofern überraschen, wenn er einmal etwas NICHT-Überraschendes vorlegen würde. Seine Homepage listet gegenwärtig 11 (!) Bands. Von einer Hommage an die skurrilen finnischen Regisseure (Kaurismäki!) über freitonal-avantgardistische Ausflüge bis zu einer recht zahmen, fast im Stil des späten Bill Frisell eingespielten CD mit klassischen Western-Melodien.
„Punk“ an „KUU!“ ist natürlich keineswegs eine hemdsärmelige Herangehensweise, die Stücke sind zwar stark songorientiert, stellenweise aber sehr komplex und verschachtelt angelegt. Lillinger muss etwa über ein sich rhythmisch stetig auf das gemeinste verschiebende Motiv solieren. „Punk“ steht für die ursprüngliche Harschheit des Genres, bevor es im Mainstream zur Schlagermusik mit verzerrten Gitarren mutierte. „Post“ steht für den reflektierten Umgang. Und „Proto“? Für in dieser Form doch recht ungehörte Musik.
Was die Texte anbelangt, sei exemplarisch das Titelstück des auf dieser Tour beworbenen neuen Albums „Lampedusa Lullabye“ genannt. Wer bei der Nennung der italienischen Insel an das allgegenwärtige Migrationsthema denkt, liegt hier nicht falsch. Eine Fast-Ballade im 6/8-Takt mit zerbröselndem Ende. Punk auch als Attitüde. Also „ProtoPostPunkJazz“.
Aber wo jetzt einordnen?