"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Silvia Thurner · 22. Okt 2018 · Musik

Gesellschaftspolitische und persönliche Tragödien energetisch gedeutet – das Symphonieorchester Vorarlberg mit Anu Tali am Pult und der Cellist Alexey Stadler hinterließen einen starken Eindruck

Vor dem zweiten Abonnementkonzert des SOV waren die Erwartungen hoch gesteckt. Die Werkauswahl mit Kompositionen von Gottfried von Einem, Schostakowitsch und Tschaikowsky versprachen ein dichtes Konzerterlebnis. Im Mittelpunkt stand der 27-jährige russische Cellist Alexey Stadler, der mit seiner ernsten und zugleich leidenschaftlichen Spielart die Zuhörenden in seinen Bann zog. Im positiven Sinn resolut wirkte die Dirigentin Anu Tali. Sie leitete das Orchester detailreich und führte den musikalischen Fluss zu wirkungsvollen orchestralen Höhenflügen.

Gottfried von Einem wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Deshalb und auch aus anderen Gründen stehen derzeit vermehrt wieder Werke des in der Mitte des 20. Jahrhunderts viel gerühmten Opernkomponisten auf den Konzertprogrammen. Die Orchestersuite „Danton’s Tod“ stellt ein Musterbeispiel der Kompositionsart des Gottfried von Einem dar. Mit der gleichnamigen Oper feierte der österreichische Komponist im Jahr 1947 bei den Salzburger Festspielen seinen ersten großen internationalen Erfolg. In altbewährter Manier fertigte der Komponist auch eine Orchestersuite an. Nun, sechzig Jahre nach der Werkentstehung, ist diese Form des kompositorischen Ausdrucks, in der die Tradition des tonalen Satzes im wesentlichen weitergeführt wird, rhythmisch komplexe Verschiebungen, differenzierte Klangfarbenspiele und prägnante, teilweise auch ironisch deutbare melodische Einfälle aufhorchen lassen, wieder „en vogue“.

Die brodelnde unterschwellige Energie der Musik spiegelte sich bereits in der Eingangspassage mit diffusen Klangbildern über einem pochenden Untergrund wider. Archaisch geprägte Tonfelder und das höchst eindrücklich von Martin Schelling an der Soloklarinette vorgetragene Thema sowie der darauf folgende resolute Einwurf der Blechbläser unterstrichen die Dramatik der Musik, deren politisch-kriegerische Note durch den Einsatz der Marsch- und großen Trommel im Finale zusätzlich verstärkt wurde.

Ernst und leidenschaftlich bewegt

Das erste Cellokonzert von Dmitri Schostakowitsch wirkte wie geschaffen für den russischen Cellisten Alexey Stadler. Ernst, fast streng und in jeder Faser bestimmt im Ausdruck stellte er die markante melodische Floskel d-es-c-h aus den Initialen des Komponisten in den Raum. Der stringente Ton des Violoncellos zog das Publikum ebenso in seinen Bann wie die musikalische Kraft, die von Alexey Stadlers energischen Phrasierungen ausging. Erst im langsamen Satz ließ der Solist etwas locker und trat in feinsinnige Dialoge, unter anderem mit dem Hornisten Zoltan Holb. In sich gekehrt und mit einem dichten Ausdruck bewirkte der Solsit eine konzentrierte Atmosphäre im großen Saal des Festspielhauses. Besonders in der Solokadenz kam der Charakter von Alexey Stadler zur Geltung, akurat und mit eindringlichen Steigerungen entwickelte er einen musikalischen Sog. Jubelnd dankte das Publikum für die eindrucksvolle Werkdeutung. Das Orchester gestaltete das Werk mit einer hervorragenden Klangkultur mit, war stets präsent und agierte in einem gut ausgeloteten Verhältnis zum Solisten.

Freien Lauf lassen

Mit Tschaikowskys erster Symphonie löste sich die Stimmung, die weiten Kantilenen, die großen Phrasierungsbögen, die herzhaften melodischen Einfälle und die wirkungsmächtigen Steigerungen formten die Musikerinnen und Musiker impulsiv aus. Besonders in Erinnerung blieb der atmende Duktus im langsamen Satz mit den schön entfalteten Kantilenen. Den fulminant aufgebauten Crescendo-Bogen im Finale zelebrierten die Dirigentin Anu Tali und das SOV geistreich und mit einem hervorragenden austarierten Orchesterklang.

Vital wirkte Anu Tali am Pult des Symphonieorchesters. Sie gestaltete die Musik mit klaren Gesten und einem bemerkenswerten Ausdrucksgehalt der linken Hand. Dass sie ganz genau wusste, wie sie die musikalischen Gestalten zueinander in Beziehung setzen wollte, war in der engagierten Musizierhaltung des Orchesters über den ganzen Konzertabend hinweg erlebbar.