Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Silvia Thurner · 14. Okt 2018 · Musik

Kompositionsgeschichte lustvoll erlebbar gemacht – das Concerto Stella Matutina unter der Leitung von Alfredo Bernardini musizierte geistreich und humorvoll

Das Concerto Stella Matutina lud zum Familienkonzert mit Werken von Johann Sebastian Bach und seinen vier Söhnen. Gleichzeitig war das vierte Abonnementkonzert in der Kulturbühne AmBach aber auch ein Treffen unter Freunden, denn schon öfters leitete der Oboist Alfredo Bernardini das Orchester. Die Musikerinnen und Musiker spielten mit viel Elan, genau phrasiert und mit viel gegenseitigem Austausch und großem Einverständnis. So erlebte das konzentriert zuhörende Publikum erfrischende Werkdeutungen und eine anschauliche Reise durch die Kompositionsgeschichte, vom Barock des Vaters zum empfindsamen Stil und Sturm und Drang der Söhne.

Festlich leitete das Concerto Stella Matutina (CSM) in den Abend ein mit der Sinfonie aus der Kantate „Entfliehet, verschwindet, entweichet, ihr Sorgen“. Mit den Fanfaren konnten die Zuhörenden den Alltag hinter sich lassen und ganz eintauchen in die Welt des Johann Sebastian Bach. Die einzelnen Tanzsätze der Orchestersuite Nr. 1 (BWV 1066) musizierte das CSM mit viel Einfühlungsvermögen und gut artikulierten Phrasierungsbögen. Der viel gerühmte „Swing“ der Barockmusik stellte sich unverzüglich ein. Abwechslung boten die unterschiedlichen Klangkombinationen zwischen den Stimmgruppen und dem Tutti, aufhorchen ließen virtuose Soli. Mitten drinnen musizierte Alfred Bernardini auf seiner Oboe, bei ihm liefen die Fäden zusammen, er forderte die Musiker auf, leitete sie an und gab die Einsätze.

Die erste Konzerthälfte zielte zum Doppelkonzert für Oboe und Violine (BWV 1060R) mit den beiden Solisten Alfredo Bernardini und David Drabek. Dieser hatte unter anderem die Aufmerksamkeit auf seiner Seite, weil er seit kurzem als Konzertmeister des Concerto Stella Matutina wirkt. Auffallend war der schöne Gesamtklang des Orchesters, der den Solisten beste Voraussetzungen für ihre virtuosen Dialoge, Imitationen und Wechselspiele bot. Während der Ton der Oboe von Alfredo Bernardini durch und durch beseelt und von innen heraus belebt erklang, konnte David Drabek sein Potential als Solist nicht so recht ausspielen. Selbstverständlich erklangen seine Passagen hervorragend ausgeformt. Trotzdem wirkte seine Tongebung etwas unterkühlt und seine Solopassagen hoben sich eher zu wenig vom Tuttiklang der Geigen ab.

Die Söhne am Wort

Johann Sebastian Bach hatte in zwei Ehen insgesamt einundzwanzig Kinder, zehn davon überlebten das Kindesalter. Vier Söhne entwickelten die Kompositionsgeschichte maßgeblich weiter. Der bekannteste Bachsohn – Carl Friedrich Emanuel – war bei diesem Konzert lediglich mit einer Marcia vertreten. Warum die Programmgestalter gerade diesen Komponisten so unterbelichtet ließen, ist wenig nachvollziehbar. Allerdings entschädigte die Aufführung des Concerto per il Cembalo (FK41) von Wilhelm Friedemann Bach dieses Manko. Johannes Hämmerle war als Solist voll in seinem Element und die Musikerinnen und Musiker folgten ihm geistesgegenwärtig. Auf diese Weise entfaltete sich die unglaublich „zerrissene“ Musik, in denen musikalische Themen und Motive höchst wankelmütig immer wieder verändert erklangen und abrupte Wendungen sowie Generalpausen für ungeahnte Überraschungselemente sorgten. Die rhythmisch vertrackten Passagen sowie die außergewöhnlichen harmonischen Farben und Blickwinkel stellten Johannes Hämmerle und das CSM flexibel dar. Theatralisch wurden die Seufzermotive im Andante ausgeformt. Im Finale boten der Solist und die Musikerinnen und Musiker einander Paroli, so dass die aufgeregten Themen hervorragend und mit Humor zur Geltung kamen.

In gelöster Stimmung

In der zweiten Konzerthälfte wirkte der Konzertmeister David Drabek gelöster. Besonders in Johann Christoph Friedrich Bachs Sinfonia in d-Moll (WFV I:3) entfaltete das Orchester den sogenannten empfindsamen Stil elegant und gefühlsbetont. Ein gutes Beispiel für den Sturm und Drang stellten die mit Nachdruck artikulierten aufbrausenden Gesten und Tonrepetitionen dar.

Wie nahe sich Johann Christian Bach zur klassischen Tradition hin bewegte, war in der Sinfonia in D-Dur, op. 18/4 gut nachvollziehbar. Im Eröffnungssatz fiel der vorwärtsdrängende Gestus auf, galant formten die Musiker den liedartigen Mittelteil aus und mit Esprit, exakten Phrasierungen und rhetorischen Qualitäten stellte das Orchester das abschließende Rondo in den Raum.