Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 06. Okt 2009 · Musik

Musikalisch gefrorene Zeit - Alexander Moosbrugger zeigte seine Qualitäten als Programmgestalter und Organist mit eindringlicher Kraft

Im dicht gedrängten Konzertkalender erregte das Programm des Orgelkonzertes mit Alexander Moosbrugger meine Aufmerksamkeit. An der Riegerorgel in der Schwarzacher Pfarrkirche interpretierte der in Berlin lebende Komponist und Organist neue und alte Werke von Ruth Zechlin, Buxtehude, Bach und Mendelssohn-Bartholdy sowie Improvisationen. Dass das Programm „durchkomponiert“ war, versteht sich für den stets bedacht agierenden Musiker von selbst, so wurde das Konzert in einem überaus spannenden Bogen und in einem Guss geformt.

„Wider den Schlaf der Vernunft“ nannte die deutsche Komponistin Ruth Zechlin den Aphorismus für Orgel. Das Werk entstand an der Zeitenwende kurz vor dem Fall der Berliner Mauer, bildhafte und emotionale Assoziationen sind deshalb zutreffend für dieses ausdrucksstarke Werk. Schwer lastende Klangballungen breiteten sich in tiefen Lagen aus, gleißende Klänge ertönten oben. Stets aufs Neue entwickelte motivische Gedanken wurden großteils bereits im Keim erstickt, so dass sich die gegensätzlichen musikalischen Pole nicht näher kamen. Die Registrierung und die Spielart von Alexander Moosbrugger ergaben eine eindringliche Werkdeutung. Im Kontrast dazu stand Dietrich Buxtehudes „Präludium in d“ (Bux WV140), in dem Alexander Moosbrugger mit einer ungewöhnliche Klangfarbenwahl die Themenführungen transparent unterstrich. Allerdings wirkten die Linien vor allem in den ersten beiden Abschnitten etwas zu kurz gegriffen, so dass die harmonischen Durchgänge etwas zu wenig zur Geltung kamen. Ein in sich gekehrter Gegensatz im letzten Abschnitt bildete eine besondere Spannung zum harmonisch sich aufhellenden Finale hin.

Ein Bild vor Augen

Als Paraphrase auf das Werk „Jemand sagt ‚bleib!“ improvisierte Alexander Moosbrugger zwei „Zeichnungen“. Allein der Titel gibt zu Denken, denn kann man Zeichnungen musikalisch improvisieren? Die Musik im Verständnis eines gefrorenen Bildes erschloss sich eindringlich und wirkte sehr persönlich. Eine Floskel erklang in höchsten Lagen, die Antwort wurde in einer Basslinie angedeutet, so entwickelte sich eine Kommunikation, die von ständigen Unterbrechungen gekennzeichnet war. Doch allmählich ergab sich eine Strömung, verbunden mit Charakteränderungen und einem imaginär wirkenden Klanggebilde. Im zweiten Bild formte sich wieder ein Klang atmosphärisch heraus. Der Gegensatz der Registerfarben ergab eine gut nachvollziehbare Dialogstruktur, die allmählich verebbte und sich in Luft auflöste. Zum Abschluss der Improvisation, die viel Platz für eigene Interpretationen zuließ, permutierten melodische Kerngedanken zu perkussionistischen Schlägen.

Freude strahlend

Felix Mendelssohn-Bartholdys „Sonata II in c, op. 65“ erklang mit einem natürlichen Duktus. Die musikalischen Hauptlinien wurden durch die Abschnitte hindurch gut ausgelotet und miteinander verflochten. Mendelssohn-Bartholdys „Sonata III in A, op. 65“ breitete Alexander Moosbrugger als Freude verströmende Musik aus, die durch die Anlage und die Spielart strahlend zur Geltung kam. Die nachfolgende Improvisation fasste musikalische Gedanken, die während des Konzertabends zu hören waren. Anklänge an Ruth Zechlins und Mendelssohn-Bartholdy sowie Johann Sebastian Bach bildeten unterschiedliche Hörperspektiven aus. Eindringlich wurden die melodischen Fragmente in Klangblöcken einbetoniert, so wirkte der überraschende Schluss fast beiläufig. Dieser öffnete den Raum für den abschließend dargebotenen Bachchoral „Schmücke dich, o liebe Seele“.