Musik, die sich nicht instrumentalisieren lässt – eine ungewöhnliche Performance im Löwensaal in Tisis, die jedoch nur bedingt funktionierte
Im stilvollen Löwensaal in Feldkirch-Tisis präsentierten der Bratschist Sebastian Heimann und das „Ensemble du bout du monde“ das Siegerkonzert „À la carte“, mit dem sie den diesjährigen HUGO Konzertdramaturgiewettbewerb bei den Montforter Zwischentönen für sich entschieden haben. Gemeinsam gingen sie mit einer gut durchdachten Werkauswahl der wechselvollen Geschichte des traditionsreichen Saales im Gasthaus Löwen nach. Einen Lokalkolorit verliehen Musikantinnen und Musikanten der Harmoniemusik Tisis-Tosters der Performance. Alle musizierten hervorragend, allerdings hatten sich die Protagonisten mit ihrem Konzert im Hinblick auf die Dramaturgie des Abends zu viel vorgenommen.
Das Gasthaus Löwen hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Der Saal war immer ein gesellschaftlicher Treffpunkt, diente auch als Theatersaal und wurde während des Krieges sogar als Schutzraum und Lazarett genutzt.
Hervorragende Musikerinnen und Musiker
Mit dem Gasthaus assoziierten der Bratschist Sebastian Heimann und seine Kolleginnen und Kollegen vor allem Kompositionen, die einen kommunikativen musikalischen Charakter entfalteten. Dieser kam in George Aperghis Duett „Rasch“ für Bratsche und Sopransaxophon hervorragend zum Ausdruck. Expressive Diskurse, mit zahlreichen motivisch-thematischen Konfliktsituationen und aufbrausenden Einwürfen stellten das Saxophonquartett (Noa Mick, Kay Zhang, Pablo de la Fuente Pastor und Don-Paul Kahl) und der Bratschist im Werk „Crosswind“, ebenfalls von George Aperghis, virtuos in den Raum. In diese beiden Pole eingebettet erklangen die originell angelegte Komposition „Typewriter Tune“ von Giorgos Koumendakis, John Cages berühmte „Living Room Music“ sowie die „Toccatina“ für Bratsche solo von Helmut Lachenmann.
In der Art einer Promenade setzten die Musikerinnen und Musiker Terry Rileys informelle Musik „In C“ als Überleitungspassagen ein. Das Stück beruhte auf variabel erklingenden musikalischen Floskeln, in das sich die Musikantinnen und Musikanten der Harmoniemusik gut einfügten. Auf einem bewundernswert hohen Niveau musizierten das Ensemble du bout du monde sowie Sebastian Heimann an der Bratsche.
Zu viel Ablenkung vom Wesentlichen
Was an diesem Abend jedoch nicht so gut funktionierte, war der dramaturgische Ablauf. Mit dem Gasthaussaal verbanden die HUGO-Preisträger insbesondere Kommunikation und Begegnung sowie Speisen und Getränke. Diese Überlegungen sollten sich wohl nicht nur in der Werkauswahl widerspiegeln, sondern auch mit einem Spiel ungesetzt werden. Die Besucherinnen und Besucher konnten durch die Betätigung von Lichtern die Abfolge der Werke bestimmen und waren angehalten, ständig die Sitzplätze zu wechseln. Darüber hinaus waren alle eingeladen, Wein und Brezeln zu konsumieren.
Verbunden mit der etwas penetrant wirkenden „Überleitungsmusik“ von Riley entwickelte sich eine große Umtriebigkeit. John Cage hätte damit eine Freude gehabt, denn er stellte in seiner Werkästhetik Umgebungsgeräusche und parallel geführte Gespräche aller Art gleichberechtigt neben seine Musik.
Doch auf alle anderen Werkdeutungen und besonders Lachenmanns „Toccatina“ wirkte diese Geschäftigkeit abträglich. Derartig vielschichtige und feinsinnige Kompositionen verlangen eine konzentrierte Ruhe und laden die Zuhörenden ein, sich ganz auf das musikalische Geschehen einzulassen. Die Musik genügt sich dabei voll und ganz selbst und lässt sich nicht von einem dramaturgischen Konzept instrumentalisieren.
Genau dies wurde bei dieser Performance zu wenig bedacht.