Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Silvia Thurner · 01. Okt 2018 · Musik

Music Hall, symphonischer Jazz und Folkmusic – das SOV und Adrian Prabava sowie Claire Huangci feierten Leonard Bernstein und begeisterten das Publikum

Die bevorstehende Abonnementsaison des Symphonieorchesters Vorarlberg wird spannend. Noch ist der Posten des Chefdirigenten nicht vergeben, aber alle in der aktuellen Saison engagierten Künstlerinnen und Künstler gelten als potentielle Anwärter. Dies bewirkt, dass die künstlerischen Leiter bestens vorbereitet die Konzertprogramme einstudieren und das große Potential des Orchesters herauskristallisieren. So war das Konzert mit dem indonesischen Dirigenten Adrian Prabava im Bregenzer Festspielhaus ein fulminantes Hörerlebnis, denn er führte die Orchestermusikerinnen und –musiker zu inspirierten Höchstleistungen. Mit unglaublicher Energie kam das beschwingte Programm, das Leonard Bernstein anlässlich seines 100. Geburtstags die Ehre erwies, über die Bühne. Dem stand die quirlige Pianistin Claire Huangci mit ihrer Deutung des „Concerto in F“ von George Gershwin in keiner Weise nach.

Mit Spannung wurde Adrian Prabava erwartet, denn bei seinem ersten Auftritt am Pult des SOV hinterließ er als Einspringer einen sehr guten Eindruck. Nun präsentierte der aus Indonesien stammende Dirigent ein Programm, das Kompositionen von Leonard Bernstein mit Werken von George Gershwin und Aaron Copland vereinte, und zog mit den klangschwelgerischen, aber auch rhythmisch vertrackten Werkdeutungen die Zuhörenden in seinen Bann. Fast alle Kompositionen dirigierte Adrian Prabava auswendig. Dies erlaubte ihm den direkten Kontakt zu den Musikerinnen und Musikern und nicht zuletzt deshalb wirkte die Spielweise des Orchesters von Beginn an so sicher und energiegeladen.

Der Funke sprang über

Den Beginn des „Divertimento for Orchestra“ von Leonard Bernstein gestaltete das Orchester konventionell. Doch dann ereignete sich ein besonderer Kick: Mit dem Klarinettensolo im Turkey Trot kristallisierte sich der Humor dieses Werkes so richtig heraus und der Bann war gebrochen. Daraufhin lebten die Blechbläser den Blues so richtig aus, bis in einer wirkungsvollen Steigerung mit einigen weiteren Soli das ungestüme Finale eingeläutet wurde.
Bernsteins Symphonic Suite „On the Waterfront“ gab dem an diesem Abend hervorragend disponierten Orchester noch einmal die Gelegenheit, aufzutrumpfen. Adrian Prabava hatte den Musikern wohl sehr genau vermittelt, wie er die einzelnen Motive geformt haben möchte, denn spannend und mit aufreizenden Betonungen sowie jazzigen Phrasierungen wurden die musikalischen Linien und Motive modelliert. Auch hier zogen viele bewundernswerte Soli, in denen die Musikerinnen und Musiker ihre individuellen Persönlichkeiten hervorkehrten, die Aufmerksamkeit auf sich. Gleichzeitig kam die farbenreiche Instrumentierung hervorragend zur Geltung.

Neuen Zeiten entgegengehen

Besonders in Erinnerung blieben einige kraftvoll und zugleich transparent ausgeformte Klangflächen. Genau derartige Passagen und die Art, wie sie Adrian Prabava gemeinsam mit den Musikerinnen und Musikern entwickelte, setzten weiterführende Gedanken frei. Denn mit Adrian Prabava als Chefdirigenten könnten die Musikerinnen und Musiker, und mit ihnen die Konzertbesucherinnen und -Besucher, wohl auch im Hinblick auf Orchesterliteratur, die sich auf der Höhe unserer Zeit bewegt, anregenden Musikerlebnissen entgegenblicken.

Gute Unterhaltung

Aaron Coplands Tanzepisoden „Rodeo“ bescherte dem Publikum ein unterhaltsames Kino im Kopf. Schön formten die Musikerinnen und Musiker kräftige Rhythmen im Rodeo, idyllische Naturszenen und feuchtfröhliche Szenen im Saloon aus. Das „Corral Nocturne“ erklang melodienselig in einem ausgeglichenen Stimmengewebe und einer bewundernswerten Pianokultur. Schwungvoll gestaltet bot auch der berühmte „Hoe Down“ beste Unterhaltung.

In einem inspirierenden Einverständnis

Bereits zum dritten Mal konzertierte die Pianistin Claire Huangci mit dem Symphonieorchester Vorarlberg. Wer diese Musikerin live erlebt hat, weiß, welche inspirierende Kraft von ihrem Spiel ausgeht. So belebte sie auch George Gershwins „Concerto in F“ mit ihrem ganz eigenen Gespür für Gewichtungen und einer ausgeklügelten rhythmischen Gestaltungskraft. Die Musikerinnen und Musiker waren der Pianistin gute Partner, denn der große Orchesterapparat wirkte nie übermächtig, sondern agierte in einem ebenmäßigen Austausch. Sehr schön nahm die Pianistin im ersten Satz den energischen Klangfluss auf und transferierte diesen ins Lyrische. Als Jazzcombo entfaltete das Orchester das Andante, zu dem sich feinsinnig, immer auf einen nuancierten Klang bedacht, Claire Huangci dazugesellte.
Den perkussiven Tonrepetitionen im Finalsatz setzte nur der Flügel im Festspielhaus Grenzen. Besonders in dieser Passage kam eindrucksvoll zur Ausdruck, dass es Claire Huangci wunderbar verstand, einesteils auf dem Instrument zu singen, andernteils den Klavierpart auch perkussiv kraftstrotzend zum Einsatz zu bringen. Das Publikum im Saal erlebte die dichte Energie dieser Werkdeutung hautnah und reagierte begeistert.