Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Peter Füssl · 30. Sep 2018 · Musik

Kreatives Feuerwerk & riesige Soundpalette - David Helbock's Trio Random/Control begeisterte am Dornbirner Spielboden

Mit der Ende Mai beim renommierten Münchner Label ACT erschienenen Trio-CD "Tour d'Horizon" hat David Helbock endgültig die internationale Jazz-Szene erobert, führt ihn und seine beiden musikalischen Mitstreiter die unglaublich umfangreiche Präsentationstournee doch quer durch ganz Europa und sogar bis nach Singapur und Kairo. Fehlen nur noch die Vereinigten Staaten auf der Landkarte, aber die begegnen europäischer Jazzmusik traditionellerweise ja mit - um es höflich auszudrücken - kindlicher Ignoranz. Wie auch immer, das Spielboden-Publikum zeigte sich jedenfalls von diesem kreativen Feuerwerk und der riesigen Soundpalette des Trios Random/Control vergangenen Samstag restlos begeistert.

Unglaubliche Breite des Soundspektrums

Das 1980 erschienene Stück "African Marketplace" des Südafrikaners Abdullah Ibrahim eröffnete den Reigen ausgesuchter Kompositionen und Komponisten, die für den musikalischen Werdegang des 34-jährigen Pianisten aus Koblach von besonderer Bedeutung waren. Es schien, als wollte das seit rund zehn Jahren zusammenspielende Trio sogleich die unglaubliche Breite seines Soundspektrums unter Beweis stellen: Multitasking-Experte Bär entlockte seiner Tuba wahnwitzige Töne und bediente dazu ein kleines Tamburin auf dem rechten und eine kleine Rahmentrommel auf dem linken Knie, ehe er zum Alphorn wechselte. Broger (um-)spielte die afrikanische Highlife-Melodie auf Sopran- und Tenorsaxophon und auf der Bassklarinette, und Helbock brachte den Flügel traditionell mittels Tasten, aber auch durch Zupfen und Schlagen der Saiten im Innenleben zum Klingen. An Buntheit und ausgelassenem Treiben ließ dieser afrikanische Markt keinerlei Wünsche offen, und bereits beim Opener wurde klar, dass hier bekanntem Material zwar respektvoll, aber auch mit einem Höchstmaß an kreativen Einfällen und Spielwitz völlig neues Leben eingehaucht, -gehämmert und -geblasen wird.

Funkensprühender Einfallsreichtum

Auch bei Stücken wie Keith Jarretts "My Song", Joe Zawinuls "Mercy, Mercy, Mercy", "Blue In Green" von Miles Davis/Bill Evans, Cedar Waltons "Bolivia" oder Chick Coreas "Spain" bleibt das Trio melodische nahe bei den Originalen, zieht aber dafür bei der rhythmischen und harmonischen Ausgestaltung alle Register und verblüfft mit immer wieder neuen Instrumentenkombinationen. David Helbock bearbeitet das Klavier virtuos, mit einem schier unglaublichen, funkensprühenden Einfallsreichtum und fettet das zusätzlich noch mit Electronics auf. Die grandiosen Effekte verselbständigen sich aber nie, sondern wirken immer musikalisch stringent. Hat man manchmal bei Multiinstrumentalisten das Gefühl, sie beherrschten mehrere Instrumente passabel, aber keines wirklich perfekt, so ist das bei Johannes Bär absolut nicht der Fall: er spielt auf Tuba, Horn, Flügelhorn, Alphorn, Didgebox und auf der Trompete exzellent und macht auch als Beatboxer eine gute Figur. Andreas Broger setzte auf den Saxophonen und Klarinetten expressive Glanzlichter, griff auch mal zur Querflöte, Blockflöte oder Trompete und blies mitunter wie einstmals Rahsaan Roland Kirk zwei Instrumente gleichzeitig.         

Ganz besondere Grooves, viel Drive, aber auch alle Zeit dieser Welt

Besonders herausragend geriet auch Paul Desmonds von Dave Brubeck zum Welthit gemachtes "Take Five", das mit einer Einstimmung aus alpinen Bläserklängen und Kuhglockengeläute überraschte und wie alle Stücke ausgesprochen lustvoll bis zur Kenntlichkeit de- und rekonstruiert wurde und mit ganz besonderen Grooves und viel Drive verblüffte. Zusätzlich zu den auf der CD verewigten Stücken wurden auch je eine Komposition von Hermeto Pascoal und von Peter Madsen, dem wohl wichtigsten Einfluss Helbocks, präsentiert. Atemberaubend schön geriet zum Abschluss die zweite Zugabe, "Utviklingssang" von Carla Bley. Broger und Bär bliesen Sopransax und Flügelhorn in den geöffneten Flügel, was zu wunderschönen Halleffekten führte, Helbock rundete sein stimmungsvolles Spiel mit "Harfenschlägen" über die Saiten ab, und Bär verblüffte nochmals mit Multiphonics auf der Tuba. Wenn man sich nach einer halsbrecherischen musikalischen Tour de Force dermaßen alle Zeit dieser Welt lassen kann, zeugt das schon von einer ganz besonderen Klasse.