Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Anita Grüneis · 23. Nov 2018 · Musik

Mit Chick Corea tiefenentspannt durch Zeit und Raum

Die 77-jährige Jazzlegende Chick Corea ist derzeit in Europa unterwegs und gibt an einigen ausgewählten Orten Konzerte. In Schaan gastierte er im SAL mit einem Solo-Programm vor ausverkauftem Haus.

Er kam in Jeans, Turnschuhen und einem schwarzen T-Shirt auf die Bühne. Um ein bisschen Studio-Atmosphäre in den SAL zu bringen, durften sich – auf Wunsch des Künstlers - 20 Freiwillige zu ihm auf die Bühne setzen und so auf Tuchfühlung miterleben, wie der große Meister seine Kunst zelebrierte. Chick Corea hat mit Miles Davis gearbeitet, Klassiker wie die Komposition „Spain“ geschrieben, die Fusion Band „Return to Forever“ gegründet und sein allererstes Solo-Album von 1971 genießt längst Klassikerstatus. 

Die Einstimmung mit dem Publikum

Zu Beginn seines Konzertes stimmte er zunächst das Publikum auf das Klavier ein, es musste einige Noten nachsingen, bis der Meister zufrieden war. Dann meinte er: „Ich möchte heute Abend Komponisten zusammenbringen, große Pianisten und Bandleader wie beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart und George Gershwin“. Das Publikum lachte, er setzte sich an den Bösendorfer und begann zu spielen.

Es war gerade so, als säße er in einem Kaffeehaus mit all den anderen Komponisten, er plauderte mit ihnen, immer wieder setzte sich einer ans Klavier, spielte, was ihm gerade so einfiel, der andere setzte sich dazu, spielte mit, dann kam der nächste und übernahm. Auf diese Weise unterhielten sich W.A. Mozart, George Gershwin, Domenico Scarlatti, Frédéric Chopin, Bill Evans, Paco de Lucia und andere. Die Musik des einen floss in die des anderen, als wäre sie gerade eben erdacht. Jahrhunderte verknüpften sich und lösten sich in Tönen auf. Eine tiefenentspannte musikalische Zeitreise – auch für das Publikum. So unternahm Chick Corea beispielsweise einen „beautiful walk“ mit Bill Evans, hatte aber noch Frédéric Chopin und eine seiner Mazurkas dabei, meinte: „I didn’t know that Mazurka is a dance“ und fügte hinzu, dass das Publikum auch gerne tanzen dürfe. Getanzt hat so mancher beim Zuhören, denn Chick Corea verband nicht nur diese beiden Komponisten so virtuos und elegant miteinander, dass sie geradewegs aus der gleichen Familie zu kommen schienen. 

Die Spiele der Kinder auf dem Klavier

Für den 1941 in Massachusetts geborenen Armando Anthony „Chick“ Corea war die Familie immer wichtig. So erzählte er an diesem Abend von seinem Großvater Antonio, der in einem kleinen Dorf in Süditalien zuhause war. An Feiertagen traf sich dort die ganze Familie „Mein Großvater hatte 13 Kinder, eines davon war mein Vater, ich hatte also jede Menge Cousins und Cousinen“. Im Keller stand ein Klavier und als Kinder hatten sie sich ein Spiel ausgedacht: einer musste Modell sitzen, der andere malte mit dem Klavier sein Portrait. Genau das wolle er nun auch tun, sagte der Künstler, stellte einen Stuhl neben das Klavier und bat Freiwillige auf die Bühne. Eine mutige Frau war die erste, eine junge folgte („damit das Gleichgewicht erhalten bleibt“, so der Meister) und Chick Corea zeichnete von jeder Person ein musikalisches Portrait. Wie ein Maler beobachtete er seine Modelle und setzte seine Empfindungen augenblicklich in Noten um.

Dann wagte er einen weiteren Schritt: Er wollte mit jemand gemeinsam Klavier spielen. Wieder bat er um Freiwillige - es fand sich ein Mann, der neben dem Meister auf dem Klavierhocker Platz nahm und mit ihm ganz wunderbar improvisierte. Daraufhin sprang eine Frau auf die Bühne, die dann aber bekannte, dass sie gar keine Pianistin sei, sondern Sängerin. Und schon folgte eine Session, in der Chick Corea aufmerksam und hoch virtuos ihrem eigenwilligen Gesang folgte.  

Für den Schluss des Abends spielte Chick Corea einige seiner selbst komponierten 20 Kinderlieder, diesmal ab Blatt. Es waren Klavierstücke, in denen er Eigenschaften der Kinder charakterisierte, ihre Verspieltheit, ihr Staunen über die Welt. Lauter kleine große Chick Coreas, der mit diesem TAK-Konzert dem Publikum eine Sternstunde bescherte. Es war ja auch Thanksgiving – das Erntedankfest.