Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 04. Aug 2021 · Musik

Man kann nicht gut auf zwei Hochzeiten tanzen – „Zeitklang im Museum II“ war ein zwiespältiges Erlebnis

„Zeitklang im Museum“ bietet seit fünf Jahren zeitgenössischen Komponistinnen und Komponisten ein Podium. Im vorarlberg museum musizierte der Wiener Concert-Verein unter der Leitung des israelischen Dirigenten Ziv Cojocaru Werke von Matthias Kranebitter, Michael Floredo, Helmut Schmidinger und Ralph Schutti, überdies wurde das neueste Werk von Dana Cristina Probst präsentiert. Die Wesenszüge der dargebotenen Werke passten gut zueinander, doch daran lag gleichzeitig auch die Schwäche des überlangen Konzertprogrammes, das eher wenig Abwechslung bot. Dass weniger oft mehr ist, war auch an der Qualität der Darbietungen abzuleiten, denn in einigen Werkdeutungen zeigte sich, dass mehr Probenzeit gutgetan hätte.

„Kraut und Rüben“ nannte Matthias Kranebitter sein im Jahr 2009 entstandenes Werk. Darin erklangen nervös flirrende Passagen, die immer wieder unterbrochen wurden. Auch wenn sie ihre Kraft bündelten, setzten sich die thematischen Motive nicht durch und scheiterten immer wieder, bis der Klangfluss - nicht ohne Humor - in sich einstimmenden Quinten endete.
Eine Kontemplation über den Jakobusbrief stellte Michael Floredos Werk „Warning to the rich“ dar. Gegensätze, die gegeneinander ausgespielt wurden, bestimmten den musikalischen Verlauf. Aus den insistierend vorwärtstreibenden und in sich kreisenden Motivgruppen kristallisierte sich schließlich ein versöhnliches Thema heraus, das Ruhe in das musikalisch dichte Geschehen brachte. Wenn man weiß, dass Michael Floredo in seiner Musik immer auch gesellschaftskritische Standpunkte formuliert, enthielt die Komposition zahlreiche Anregungen zum Weiterdenken.
Für den Flötisten Erwin Klambauer komponierte Helmut Schmidinger die fünf Fantasien für Flöte und Streichorchester mit dem schönen Titel „Das ist alles Windhauch und Luftgespinst“. Der Solist musizierte seinen Part hervorragend und gestaltete die virtuos gesetzten Passagen nuanciert aus. Doch die Anlage des Flötenkonzertes wirkte redundant. Aus einer musikalischen Ursprungsidee immer wieder andere, zusammenhangstiftende Muster zwischen dem Soloinstrument und dem Streichorchester darzustellen, erschöpfte sich im Verhältnis zur langen Dauer des Werkes ziemlich rasch.
Ralph Schutti wendete sich in seinem klangsinnlichen Werk „In paradisum“ der Sterbeliturgie zu. Der einem impressionistischen Duktus folgenden Musik war das lateinische Antiphon „in paradisum“ zugrunde gelegt. Imitierende Sequenzbildungen verströmten einen in sich kreisenden Charakter und öffneten gleichzeitig einen großen Klangraum.
Dana Cristina Probsts neueste Komposition, „Ausblick für Streichorchester“, wurde im vorarlberg museum erstmals gespielt. Das mitteilsame Werk war zweiteilig angelegt, den chromatisch hastig gegeneinander geführten Linien im ersten Abschnitt folgte nach einem Liegeton des Kontrabasses eine in sich ruhende Klangfläche. Darin wurden melodische Kantilenen in breiten Bögen zelebriert. Markant wirkte der offene Schluss des Werkes.

Mehr Zeit wäre nötig

Der Wiener Concert-Verein ist bemüht, alljährlich eine kleine Reihe mit zeitgenössischer Musik in das vorarlberg museum zu bringen. Das ist eine lohnenswerte und willkommene Initiative. Mit dem engagierten Dirigenten Ziv Cojocaru stand ein versiert und emotional agierender Dirigent am Pult des Streichorchesters. Doch insbesondere die dicht gesetzten Passagen in einigen der dargebotenen Werke machten deutlich, dass es an Probenarbeit gemangelt hat. Komponierende sind auf möglichst gewissenhaft einstudierte Werkdeutungen angewiesen, weil die Zuhörenden keine oder wenig Vergleichsmöglichkeiten haben. So stellte sich in zahlreichen Passagen, die diffus oder in sich wenig kongruent wirkten, die Frage: Liegt dies in der kompositorischen Anlage oder in einer ungenauen Spielart begründet?
Dass nach den ersten beiden Werkdeutungen zahlreiche Musikerinnen und Musiker fluchtartig die Bühne verließen, um ihren Orchesterdienst beim „Rigoletto“ anzutreten, deute ich weniger als Zeichen besonderen Fleißes als vielmehr als eine fehlende Prioritätensetzung. Besonders die zeitgenössische Musik ist auf durchdachte Interpretationen angewiesen. Doch dieses Qualitätsmerkmal war bei „Zeitklang im Museum II“ nicht selbstverständlich.