Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 09. Aug 2009 · Musik

Kompositionen vom Dirigentenpult aus formen - das erstmals angebotene Dirigentenforum ist eine Bereicherung der Programmvielfalt bei den Bregenzer Festspielen

Die Kuratorin Laura Berman initiierte im Rahmen des KAZ-Programmes ein Dirigentenforum mit dem Ensembleleiter und Komponisten Johannes Kalitzke. Eingeladen wurden Stipendiaten des Deutschen Musikrates, darunter auch der hierzulande bestens bekannte Markus Landerer. Zum Abschlusskonzert des Workshops kamen zahlreiche ZuhörerInnen ins Seestudio und erlebten dort das Engagement der Dirigenten Andreas Hotz, Daniel Huppert, Markus Landerer und Christian Schumann und des „Österreichischen Ensembles für Neue Musik“. Alle Werkdeutungen wirkten stringent durchdacht und gut einstudiert.

Johannes Kalitzke ist ein namhafter Dirigent für Neue Musik und selbst Komponist. Für die Workshopteilnehmer stellte er eine vielseitige Werkauswahl mit Kompositionen von Gérard Pesson, Richard Ayres, Anton Webern und György Ligeti zusammen. In der ersten Hälfte des Workshops beschäftigten sich alle vier Teilnehmer mit der ausgewählten Literatur, erst dann teilte ihnen der Maestro die Werke zu, die sie beim Abschlusskonzert dirigierten. Das Konzert fand in einer angenehm konzentrierten Atmosphäre statt. Ihm wohnte durch das genaue Beobachten der Dirigenten und ihrer Werkdeutungen eine ungewohnte Spannung inne. Das Niveau war durchwegs sehr hoch, wenngleich zu erkennen war, welche Dirigenten mehr Erfahrung mit einbringen konnten und welche weniger. Vielseitige Werkzusammenstellung Gérard Pessons Werk „Le Gel, par jeu“ dirigierte Andreas Hotz. Die Musik verlief quasi auf einer Metaebene und forderte zum genauen Hinhören auf. So entwickelte sich eine fein gesponnene und klangfarbenreiche Musik, die durchwegs im Pianissimo gespielt wurde. Kleine spieltechnische Änderungen hatten in dieser exakt ziselierten Werkdeutung eine enorme Wirkung und boten ein schattenhaftes Panorama flirrender Gesten. Als Bezugspunkt diente das Schlagwerk, das Horn brachte eine klangliche Bereicherung des Ensembleklanges. Markus Landerer leitete das „oenm“ mit Richard Ayres Werk „ Five Memos for Eva“. Die Musik erklang griffig und mit einem erzählerischen Duktus. So waren die zugrunde liegenden Bilder gut nachvollziehbar. Dass es sich bei den Erinnerungen an Eva um ein Kind handelt, zeigte sich im spielerischen Umgang mit den musikalischen Materialien. Im ersten Satz sprang und keuchte das Fagott hinterher. In kurzen korrespondierenden Phrasen wurde das Fallen eines Blattes und eines Baumes nachgezeichnet. Die Einsamkeit und „little Soul“ implizierten ein (musikalisches) Spiel sowie einen tanzartigen Satz. Wie gewohnt dirigierte Markus Landerer mit großer Imaginationskraft. Auf diese Weise entstand eine ergreifende Werkdeutung. Ein Schlüsselwerk der Musikgeschichte ist das Konzert für neun Instrumente, op. 24 von Anton Webern, das Daniel Huppert dirigierte. Das komplex zusammengesetzte Werk mit markanten Dreitonmotiven wurde konzentriert gedeutet, alle Einzelteile wurden dargeboten. Jedoch stellte sich aus der Fülle der einzelnen Teile das übergeordnete Ganze nicht so recht ein. Abschließend stand Christian Schumann mit Ligetis Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten am Pult des „oenm“. Unterschiedlich geschichtete Bewegungsverläufe und Schwingungskurven wurden spannungsgeladen präsentiert. Das Fließen der unterschiedlichen Zeitebenen nahm teilweise einen eigendynamischen Charakter an. Auf ein Neues wurde vor allem mit diesem Werk deutlich, wie viele Komponisten des 20. Jahrhundert vom Bewegungsfluss und von Intensivierungsprozessen á la Ligeti gelernt haben und diese in ihre eigenen kompositorischen Ideen transferieren.