Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 05. Aug 2009 · Musik

Die Sehnsucht nach dem Wohlklang leben - stimmungsvolles Porträtkonzert zu Ehren von Richard Dünser bei „Kunst aus der Zeit“

Viele ZuhörerInnen fanden sich zum Porträtkonzert von Richard Dünser auf der Werkstattbühne ein, denn bei den Bregenzer Festspielen wurde der 50. Geburtstag des Komponisten gefeiert. Auf dem Programm standen drei Kammermusikwerke, die ihren Weg in die Konzertprogramme längst gefunden haben, sowie die Uraufführung eines Doppelkonzertes für Violine, Klavier und Kammerorchester. Es musizierte der Wiener Konzertverein, die Stimmung war gut und die MusikerInnen hervorragend. Allerdings warf das neueste Werk des allseits geschätzten Komponisten auch Fragen auf.

Doris Adam interpretierte zu Beginn das dreiteilige Klavierwerk „Erinnerung - Monument - Nachtgesang“, das Richard Dünser 1989 komponiert hat. Darin leuchtet seine kompositorische Welt eindrücklich, denn mit einer transparenten Linienführung schafft er Gewichtungen und führt die melodischen Linien gegeneinander. Charakteristische Tonschritte und Motive wurden immer wieder aufgegriffen und plastisch ausgeformt. Typisch ist, dass Richard Dünser gerne einzelnen Fragmenten nachhört, Raum für Reflexion schafft und Akkorde für sich selbst wirken lässt. Sein Sinn für die Proportionen zeigte sich im zweiten Teil „Monument“, das mit rhythmisch bewegten Klangballungen Schönberg ein Denkmal setzte. Korrespondierend zum ersten Satz wirkte „Nachtgesang“ mit ineinander verzahnten Motiven und perlenden Tonketten. Auch hier widmete sich der Komponist ausgiebig der Zeitdehnung innerhalb musikalischer Gestalten. Doris Adam spielte das Werk durchdacht und besonnen. Ebenso wirkte „Zwieklang“ für Violine und Klavier aus dem Jahr 1985. Dieses Werk entstand anlässlich des 60. Geburtstages von Hans Werner Henze, bei dem Richard Dünser zu dieser Zeit studiert hatte. Diese Komposition deuteten Doris und Karin Adam mit einem Gespür für die Verhältnisse zwischen den beiden Stimmen und deren dynamische Ausgestaltung. Die unterschiedlichen Charaktere wurden gut nachvollziehbar präsentiert, ineinander verflochten. Im Verlauf suchten die Instrumente Distanz zueinander, fanden sich in angenehmer Kommunikation miteinander und beharrten teilweise höchst anregend auf den jeweiligen Standpunkten.

Ein spannendes Wiederhören

In Triobesetzung war schließlich „Tage- und Nachtbücher“ aus dem Jahr 1988 zu hören, das als „imaginäres Theater“ zu verstehen ist. Die Klarinette (Gerald Pachinger) und das Violoncello (Maria Grün) führten einen Dialog miteinander, während der Klavierpart (Doris Adam) die Atmosphäre schuf bzw. das Geschehen der beiden Protagonisten kommentierte. Der musikalische Fluss wurde dabei intensiviert und es entstand ein abwechslungsreiches Frage- und Antwortspiel. Nur die dynamische Ausgestaltung der jeweiligen Parts war relativ wenig ausgeprägt. Der Höhepunkt wurde mit kraftvollen Tonrepetitionen markiert und eben dann fanden die Instrumente zusammen. Wirkungsvoll war die darauf folgende Reaktion, in der ein Mahler-Zitat erklang.

Das Neue in einer überraschend zeitgeistigen Gestalt

In allen Werken von Richard Dünser kamen seine Meisterschaft der Instrumentationskunst und sein Wissen um die musikalische Tradition zum Ausdruck. Zitate und Anklänge an traditionelle Schreibweisen sind nie zufällig oder zum Selbstzweck, sondern dienen jeweils einer übergeordneten Idee. So erwartete ich die Uraufführung des Doppelkonzertes für Violine, Klavier und Kammerorchester gespannt. Es musizierte der Wiener Concert-Verein unter der Leitung von Ernest Hoetzl, Doris und Karin Adam waren die Solistinnen. Das Doppelkonzert ist ein mitteilsames Werk, das durch Gegensätze gekennzeichnet ist. Die Soloinstrumente und das Orchester spielten Themen, die unterschiedliche emotionale Ebenen ansprachen. Das Wechselverhältnis mit dem Orchesterpart, der als Kommunikationspartner und als Klanggrund diente, war ausgewogen. Bedeutend war die ausgeprägte und dominante Schlagwerkgruppe, die eine wichtige dramaturgische Rolle einnahm. Bedrohliche, abrupte und harte Klänge unterbrachen demnach die melodischen Felder der Soloinstrumente, teilweise sogar ziemlich aggressiv. So entstand in vier Abschnitten ein Spiel der jeweiligen Mächte und ihrer Verhältnisse zueinander. Entscheidend für die Werkdeutung ist das Zitat des Bach-Chorals „Ich ruf’ zu dir Herr Jesu Christ“, das in vielerlei Gestalten in das musikalische Geschehen eingeflochten wurde. Interpretationsspielraum bot dieses Werk allemal, und es ließ auch viel Freiraum für eigene Assoziationen.

Chiffren entziffern

Fragen ergeben sich allerdings in der Auswahl der kompositorischen Mittel, denn Richard Dünser verarbeitete die kompositorischen Ideen auf eigentümliche Weise allzu gegenständlich. Beispielswiese diente ihm das Bach-Zitat als Grundlage des über weite Stecken tonal konzipierten Werkes. So näherte er sich der Filmmusik an. Eine Art Schnitttechnik in einzelnen Passagen bestätigte diesen Eindruck ebenfalls. Die Nähe zu Andrei Tarkowskis Film „Solaris“ ist kein Zufall. Ich hätte mir einen höheren Grad an Abstraktion erwartet. Doch Richard Dünser sprach in seiner Moderation von Chiffren, die es zu verstehen gilt. Wer weiß, vielleicht habe ich diese nicht verstanden. Das Publikum reagierte mit wohlwollender Zustimmung.