Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Silvia Thurner · 03. Aug 2009 · Musik

Im Bann der musikalischen Sinnesreize - Kirill Petrenko und Emanuel Ax wirkten mit ihrer ganzen Strahlkraft

Kirill Petrenko stand beim zweiten Orchesterkonzert der Bregenzer Festspiele am Pult der Wiener Symphoniker. Das Programm war zugeschnitten auf Karol Szymanowski und umkreiste die beiden für ihn bedeutenden Komponisten Frédéric Chopin und Alexander Skrjabin. Die Klavierparts beseelte der amerikanische Pianist Emanuel Ax, und Kirill Petrenko begeisterte aufs Neue. Er ist ein Klangmagier, wie kaum ein anderer. Den absoluten Höhepunkt erreichte das Konzert im letzten Akkord, der mit seinem energiegeladenen Innenleben im Saal erstrahlte.

Die „Sinfonia Concertante“ op. 60 stand am Beginn des Konzertes und stellte sogleich enorme Ansprüche an die MusikerInnen. Vielgliedrig entfalteten sich die Themen und Motive, wanderten durch die Instrumentengruppen, traten in einen Dialog mit dem Klavierpart und führten in Klangballungen. Spannend wurden diese wieder aufgesplittet, ständig variiert in perkussiven und rhythmisch vertrackten Passagen. Punktgenau führte Kirill Petrenko die Orchestermusiker und den Solisten. So entfaltete sich vor allem im Mittelteil ein impressionistischer Klanggrund, über dem in großen Phrasierungsbögen höchst romantisch anmutende Melodien ausgebreitet wurden. Der musikalische Entwicklungsprozess im Finale stellte höchste Ansprüche an den Solisten und an das Orchester. Sie modellierten die Musik mit bewundernswertem Elan.

Selbstverständliche Poesie

Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ Emanuel Ax nicht nur als Solist in Szymanowskis „Sinfonie concertante“, sondern auch als Chopin-Interpret. Wohltuend wirkte die Reduktion des Klangvolumens, als der Pianist Chopins Nocturnes, op. 27, Nr. 1 & 2, das Andante Spianato und die Grand Polonaise, op. 22 spielte. Mit einer ansprechenden Selbstverständlichkeit und einem natürlichem Duktus musizierte er die anspruchsvollen Parts. Er war ganz bei sich selbst und dem Klavier, entwickelte vor allem Stimmungsgegensätze und Klangfarben und gewichtete die melodischen Linien höchst spannend. So kamen Zentral- und Zieltöne musikalischer Phrasen neu beleuchtet zum Tragen, selbstvergessen spürte der Solist den Klängen nach und fächerte sie auf. Damit nahm er das Publikum sympathisch mit auf die Reise.

Impulsive Befreiung

Das angekündigte Finale der Konzertmatinee mit Alexander Skrjabins „Le Poème de l’Extase“, op. 54 erweckte hohe Erwartungen, denn diese Komposition ist ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts. Wenn noch dazu Kirill Petrenko am Pult steht, weiß man, dass Großes bevorsteht. Und so war es auch. In immer neuen Anläufen, aus kleinsten Details geformt und mit einem übergeordneten Atem, entfaltete das riesige Orchester mit verstärkten Bläsern, zwei Harfen und Orgel seine ganze eruptive Kraft. Die Klangeigenschaften jeder einzelnen Stimmgruppe wurden als Individuen gestaltet und erzeugten im Gesamtkontext eine enorme innere Spannkraft. Das Orchester wirkte wie ein Organismus mit pulsierendem Leben, ganz im Sinn von Skrjabin. Selten zuvor habe ich einen derart kraftvollen in sich lebendigen Klang gehört, wie ihn die Wiener Symphoniker und Kirill Petrenko am Schluss in den Raum setzten. Das Publikum spürte die Energie und reagierte begeistert.