Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Silvia Thurner · 02. Aug 2009 · Musik

Archaisch und klangsinnlich - „König Roger“ spricht alle Sinne an

Die Hausoper „König Roger“ von Karol Szymanowski bei den Bregenzer Festspielen ist eine Entdeckung der besonderen Art. Eigentlich besitzt das Werk alles was ein fesselndes musikalisches Kunstwerk auszeichnet. Es ist keine Oper im eigentlichen Sinn, sondern zugleich Oratorium und Mysterienspiel. Inhaltlich kreist das Werk um die dionysischen und apollinischen Prinzipien, um emotionale und rationale Weltsichten sowie um den Konflikt zwischen dem Christentum und der naturphilosophischen Mystik.

Das archaisch anmutende Werk, angesiedelt zwischen byzantinischer und christlicher Tradition, zog das Publikum in mehrerlei Hinsicht von der ersten Minute an in seinen Bann. Die starken Bilder und die plastische Musik gebündelt mit bewundernswert ausdrucksstarken SängerInnen (Scott Hendricks, Olga Pasichnyk, John Graham-Hall und Will Hartmann in den Titelpartien), einem überaus professionell agierenden Chor (Camerata Selesia Katowice, Polnischer Rundfunkchor, Kinderchor aus Vorarlberg) sowie die organisch musizierenden Wiener Symphoniker unter der Leitung von Sir Mark Elder offenbarten die ganze Kraft der Oper. Szymanowski kreierte eine Musik, die nicht nur auf dem tradierten Dur-Mollsystem fußt, sondern auch Tonschichtungen und individuelle Skalenbildungen mit einbezieht. Zusammen mit dem großen Orchesterapparat, dessen Klangfarben er meisterhaft in Szene setzte, formte er eine plastische und wirkungsvolle Musik voller Leidenschaft. Die gegensätzlichen Denkrichtungen der Protagonisten und deren Verschränkungen im Verlauf der Oper kamen auch in musikalischer Hinsicht vielschichtig zum Ausdruck.

Interpretierendes Farbenspiel

David Pountney inszenierte den „König Roger“ und traf mit seiner Deutung den Nerv dieses Werkes genau. Eine die gesamte Bühne beherrschende Treppe diente als Aktionsfeld für alle drei Abschnitte. Lichteffekte und Farben sowie die Aufstellung der Protagonisten ergaben äußerst starke Bilder. Beispielsweise gleich zu Beginn, wenn der Chor in Form eines Kreuzes postiert ist, links und rechts flankiert von ikonenartig beleuchteten PriesterInnen. Die Farben Rot und Schwarz dominierten, sie repräsentierten die lustbetonten, auch pantheistischen, und die rational, dem tradierten Glauben und Handeln folgenden, Denkrichtungen. König Rogers Frau Roxane versteht die Botschaft des Hirten, der auch die Freiheit des Denkens repräsentiert. Sie legt als erste ihr schwarzes Kleid ab und bringt damit ihre weiter gefasste Weltsicht zum Ausdruck. König Roger ist vorerst eifersüchtig und in sich gefangen und wird von Angstzuständen geplagt. Zwar erkennt er das Potential des Hirten, verschließt sich jedoch vorerst, droht und weiß doch gleichzeitig, dass er sich der weiter gefassten Denkart nicht verschließen kann und will. Beeindruckend setzte Pountney diese Szene um, indem König Roger in ein großes rotes Band verwickelt wird, einesteils illustriert es, dass der König sich wandelt, andernteils wirkt in diesem Bild das Band gleichzeitig (noch) als Fessel.

Eine neue Messlatte

Der Schluss der Oper gibt Hoffnung und macht glücklich, denn in der Morgenröte wandelt auch der König seine Gesinnung,. „König Roger“ ist die beeindruckendste Produktion, die seit langem bei den Bregenzer Festspielen gezeigt worden ist. Das will etwas heißen, denn die Hausopern sind stets Entdeckungen.