Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Thorsten Bayer · 17. Mär 2013 · Musik

Keep it hardcore – Naked Lunch im Spielboden Dornbirn

Auf ihrem neuesten Album „All is fever“ vermischen Naked Lunch aus Klagenfurt Indie- und Elektronikklänge mit einer großen Portion Pop. Dabei sparen sie nicht an großen Gefühlen und Pathos. Diese Qualitäten brachten die vier Musiker auch am Samstagabend auf die Bühne des sehr gut gefüllten Spielbodens. Begleitet werden sie auf ihrer Tournee vom jungen Singer/Songwriter Bernhard Eder.

Naked Lunch drehen wohl gerne am großen Rad. „Sie denken über Grenzen oder Definitionen von Indiemusik, europäischem Kunstlied, Ballade, Pop, gebrochenen humanistischen Hymnen und elektronisch unterlegtem Todes-Soul nicht einmal mehr nach. Sie geben jedem Lied, was es braucht, sind dabei zugänglich und zärtlich wie nie zuvor, machen Zeit und Geschichte spürbar, die in den Songs steckt“, heißt es im Pressetext zu „All is fever“, das zudem kein „einfach aus dem Ärmel geschütteltes, sondern ein unter großen Anstrengungen der Künstlerseele abgerungenes“ Album sei. Puh.

Klangteppiche

Der erste Song des Albums ist auch der erste des Konzertes und trägt den programmatischen Titel „Keep it hardcore“. „Keep it hardcore / keep it real / keep it left / and please keep your will / like a hammer / like a bullet / like a bomb“, singt Oliver Welter mit seiner durchdringenden, leicht rauhen Stimme. Mit seinen Kollegen Herwig Zamernik am Bass, Keyboarder Stefan Deisenberger und Drummer Alex Jedzinsky gelingt es ihm, raumfüllende Klangteppiche zu weben, auf denen man wunderbar wegschweben kann. „Die vier Österreicher scheinen an der Film- und Theaterarbeit der letzten Jahre so richtig Gefallen gefunden zu haben. Mit epischen Harmonie-Sattelschleppern wie dem Opener ,Keep It Hardcore‘ oder dem anschließenden ,The Sun‘ dürften Naked Lunch bei diversen Cinema-Produzenten offene Türen einrennen“, schreibt Kai Butterweck auf laut.de. Mit dem Bild des „musikalischen Ozeans aus Tränen“ bringt er das neue Album treffend auf den Punkt.

Die Songs verlangen den Zuhörern im Laufe des Abends im Großen Saal des Spielbodens einiges ab. Sie gehen nicht ohne weiteres ins Ohr und schon gar nicht in die Beine. Der lange Atem lohnt sich aber immer wieder: Mit leichter Verzögerung entfalten sie, im Zusammenspiel mit einer sehr gelungenen Lichtregie, einen unwiderstehlichen musikalischen Sog. So mächtig dieser Breitwandsound ist – manches Mal ist es für meinen Geschmack etwas zu viel des Guten, wirken die Arrangements zu flächig. Es fehlen dann die Feinheiten, die Schattierungen.

Bernhard Eder

Diese Probleme hatte der Support Act des Abends, der junge Singer/Songwriter Bernhard Eder nicht. Er stammt aus einem kleinen Ort in Oberösterreich, ging dann nach Wien und Berlin, bevor er nach Wien zurückkehrte. Der Titel seines neuen Albums „Post Breakup Coffee“ deutet es schon an: Mit seinen Songs Fröhlichkeit zu verbreiten, ist auch nicht seine Domäne. Als „Konzept-Trennungs-Album“ möchte er sein neuestes Werk verstanden wissen, das er mit Akustikgitarre und einem Begleiter an der E-Gitarre am Spielboden vorstellt. Reduziert sind diese Lieder, melancholisch natürlich – und auf die Dauer bei aller Eingängigkeit leider etwas eintönig. Erst bei seinem letzten Stück wird es etwas schwungvoller, als er Stefan Deisenberger von Naked Lunch mit seiner Banjo auf die Bühne holt.

Haltlosigkeit

Zum Titelmotiv des Fiebers sagte Welter In einem Interview mit der Zeitschrift The Gap: „Der Titel unseres Albums ist sehr bewusst gewählt und stand schon sehr früh fest. (...) Wir liegen alle irgendwie krank darnieder und wir werden hoffentlich genesen rausgehen. Es herrscht zurzeit eine Haltlosigkeit. Ganz wenige wissen, wohin sie sich bewegen sollen, wie es weiter geht, und was es für Möglichkeiten gibt. Hat sich mein Lebensmodell als richtig herausgestellt, oder ist es ein Scheißdreck? Und wenn es scheiße ist, was wäre die Alternative dazu? Das sind die Fragen, die den Alltag beherrschen.“

Befreiung aus der Knechtschaft

An diesem Abend hingegen ist er kein Mann der großen Worte, Moderationen sind die Ausnahme. Einmal jedoch holt er etwas weiter aus. Dem Leben auf Tour gewinnt Welter originelle positive Seiten ab, vor allem vor dem Hintergrund der politischen Veränderungen in seiner Heimat. „Bisher war es so, dass man als Kärntner froh war, überhaupt irgendwo anders zu sein. Wir sind seit ein paar Tagen auf Tour erstmals als befreite Menschen. Ihr wisst ja nicht, wie gut sich das anfühlt“, sagt Welter zum Spielboden-Publikum. „Ihr wisst ja nicht, was Knechtschaft bedeutet.“

 

www.nakedlunch.de
www.bernhardeder.net
www.spielboden.at