Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Thomas Kuschny · 16. Mär 2013 · Musik

Vertrackt ist untertrieben – Rudresh Mahanthappa „Gamak“ am Spielboden

Prog-Rock war einmal. Fusion auch. Glücklicherweise. Kaum jemand weint diesen verzwurbelten Ungetümen noch eine Träne nach. In Zeiten postindustrieller Resteverwertung lassen sich aber deren Versatzstücke, befreit von esoterischer Lyrik oder Keyboard-Bombast und mit einer ordentlichen Portion Dringlichkeit ausgestattet, auch trefflich mit fernöstlichen Texturen vermengen, was, wie bei „Gamak“, dem neuen Projekt des Altsaxofonisten Rudresh Mahanthappa, einen ziemlich spannenden Abend bescheren kann.

Diese Band kennt kein Erbarmen! Schon die erste Nummer, programmatisch mit „Waiting Is Forbidden“ betitelt, ist eine kleine Werkschau dessen, was die nächsten zwei Stunden folgen wird. Mit King Crimson´scher Wucht taucht das Quartett in rhythmische Undurchschaubarkeiten ab, wechselt straighte Punkattitüde mit aberwitzig komplexer Polyrhythmik, verwebt mikrotonale indische Melodiebögen mit Avantgarde Jazz. Das haut einen erstmal um.

So subtil wie Vijay Iyer, ein Verwandter im Geiste und vor nicht allzu langer Zeit auch Gast im Spielboden, wird nicht vorgegangen. Ganz explizit wird hier nämlich mit „Time Structure“ experimentiert, naheliegend mit indischen Formen, die mit den westeuropäischen Zerstückelungen in kurze Takteinheiten nur wenig gemein haben. So „duelliert“ man sich mit unterschiedlichen Zähleinheiten und Times auf einem selten zu hörenden Niveau, das aber schon auch Opfer fordert. Immerhin fliegt auch ein Kapazunder wie Gitarrist David Fiuczyinski manchmal hochkant aus der Form und hat durchaus Mühe beim Wiederfinden. Musikalisch dienlich sind diese Passagen nicht immer, ein bisschen Selbstzweck muß man den Herren schon unterstellen.

Kreativität und Spielwitz


All dies wäre natürlich ohne eine formidable Rhythmusgruppe nicht möglich. Der zerzauste Francois Moutin am Kontrabass gibt alles, überzeugt mit dynamisch-kraftvollem Spiel sowie filigraner Technik. Drummer Dan Weiss, übrigens auch ein gefragter Tabla-Spieler, ist nichts weniger als die Idealbesetzung. So experimentierfreudig, souverän und versatil sind tatsächlich nur ganz wenige. Beide beweisen während eines ausgedehnten Dialogs Kreativität und Spielwitz. Fiuczyinski an der berüchtigten Doppelhalsgitarre (der obere Hals mit verkürzter Mensur und bundlos für mikrotonales Spiel prädestiniert) steuert mit trockenem Sound elaborierte Soli bei, fern von banalen orientalischen Melismen.

Rudresh Mahanthappa am Altsaxofon spart sich das nervige Quengeln in höchsten Lagen, sein eher dunkler, eleganter Ton ist makellos, besonders in der Ballade „Ballad For Troubled Times“ zeigt er sich geschmackvoll und umsichtig. Stichwort Ballade: Auch wenn die ruhigen, mitunter time-losen Intermezzi das dichte Gewebe gar nicht so selten aufbrechen: A bisserl viel Noten waren´s schon.