Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Silvia Thurner · 05. Apr 2010 · Musik

Jubel im Saal! Der „Mahler-Zyklus 9x9“ – und damit die Interpretation der „Auferstehungssymphonie“ – ist ein Ereignis von kulturhistorischer Bedeutung für Vorarlberg

Viele KonzertbesucherInnen, die am Ostersonntag das Dornbirner Kulturhaus bis auf den letzten Platz füllten, waren sich bewusst, dass sie einen ganz besonderen Abend erleben werden. Kirill Petrenko stand am Pult des höchst motivierten Symphonieorchesters Vorarlberg und dirigierte die zweite Symphonie von Gustav Mahler. Einen wesentlichen Anteil an der eindrücklichen Werkdeutung trugen überdies der Kammerchor Feldkirch, die Wiener Singakademie sowie die Gesangssolistinnen Letizia Scherrer und Stella Grigorian.

Kirill Petrenkos Arbeit als Dirigent sowie seine Interpretationen können nur mit Superlativen gelobt werden. Mit und von ihm lebte auch dieses Mammutwerk von Gustav Mahler. Die mehr als hundert OrchestermusikerInnen mitsamt einem Fernorchester sowie die ChorsängerInnen stellten sich der großen Herausforderung mit allerhöchster Konzentration. So wurde ein Werkganzes entfaltet, das die Zuhörenden mit einbezog und auf eine Reise durch Seelenlandschaften von der Todesangst bis zur kosmischen Weite führte.

Eruptive Kraft

Die Dramaturgie der Themenführungen wirkte durch das gesamte Werk exakt durchdacht und geprobt. Bewundernswert war, dass das gigantische Orchester in einer ausgeglichenen Klangbalance über weite Strecken ein Piano entfaltete, das die Luft im Raum zum Stehen brachte. Das immanente Energiepotential brachte Kirill Petrenko mit eruptiver Kraft an die Oberfläche, als die Musik den emotionalen Höhepunkten zusteuerte. Psychologisch ausgedeutete Zeitfenster spielten eine bedeutende Rolle, denn aus expressiven Passagen mit wankenden und einstürzenden Klangtürmen sowie zielgenau gesetzten Kulminationspunkten kristallisierten sich immer wieder fein nuancierte, lyrische Passagen heraus.

Charakteränderungen

Alle SolistInnen des Orchesters spielten mit bewundernswerter Musikalität und setzten einige der schönsten Momente des Abends. Die Art, in der das Orchester aus den entspannten Tanzsätzen den musikalischen Fluss beschleunigte und mit einer brodelnden Spannung versah, belebte die Mittelsätze maßgeblich. Mit einem Schlag setzte die Kraft des Entsetzens im fünften Satz ein. Dort wurden auch zahlreiche Tonsymbole und charakteristische Intervalle in Szene gesetzt. Abschnittsweise wurde eine kosmische Weite impliziert, in sich kreisend und zum Ganzen geschlossen. Dem gegenüber standen aufbrausende und gezackte motivische Gesten, die vielerlei Deutungsmuster offen ließen.

Gute Chorbalance

Einzig das Solo der Altistin Stella Grigorian mit dem Lied „O Röschen rot“ entsprach nicht meinen Vorstellungen. Wohl auch aus Nervosität erklang ihr Lied mit einem zu dominanten Vibrato und wenig textdeutlich. Benjamin Lack und Heinz Ferlesch hatten den Kammerchor Feldkirch und die Wiener Singakademie professionell vorbereitet. Gut ausbalanciert und mit einem abgerundeten Gesamtklang ergänzte der Chor das Orchester ideal. Darin eingebettet war die schön geführte Stimme der Sopranistin Letizia Scherrer. So entwickelte sich der Finalsatz zu einem erhebenden Musikerlebnis. Die motivischen Kommentare des Orchesters wurden als Reflexionen des Textes plastisch dargestellt.

Ein Großereignis auch im nächsten Jahr

Am Dienstag, 6. April, 19.30 Uhr ist dieses musikalische Großereignis noch einmal im Festspielhaus in Bregenz zu erleben. Und im kommenden Jahr gibt es Mahlers Dritte, auf deren Interpretation ich schon mit Spannung warte.