Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 12. Aug 2010 · Musik

Inspiriert von anderen Künsten und der Umwelt - Der „Wiener Concert-Verein“ stellte Johannes Maria Stauds Kammermusik vor

Johannes Maria Staud ist einer der renommiertesten Komponisten Österreichs. In wenigen Tagen wird er 36 Jahre alt. Im Rahmen der „Kunst aus der Zeit“-Schiene der Bregenzer Festspiele widmete ihm der engagiert musizierende „Wiener Concert-Verein“ ein Porträtkonzert, das kammermusikalische Werke des sympathischen Komponisten präsentierte. Fünf Werke umschrieben die kompositorische Welt von Johannes Maria Staud farbenreich und mit einem dichten Erzählfluss. Allerdings zeigte sich in der Dichte der Werkschau, welches Vokabular der Komponist am liebsten verwendet und so war der Konzertabend nicht vor unfreiwilligen Wiederholungen gefeit.

Einleitend interpretierte Mathilde Hoursiangou das Stück „Peras“ für Klavier, das sie feinsinnig und mit einer vielfältigen Anschlagkultur spielte. In allen Stücken waren die dominant spürbaren Beziehungen zwischen den Tönen und ihren Spannungsverhältnissen gut nachvollziehbar. Vor allem indem Staud Verbindungslinien zwischen unterschiedlichen Ereigniseinheiten aufzeigte, wurden viele Anreize gesetzt. Die Akustik im Bregenzer Kunsthaus kam dem Gestus des Klavierstückes, aber auch der anderen Kammermusikwerke entgegen.

Facettenreich und grobschlächtig zugleich



Seinem Mentor bei der Universal Edition, Bálint András Varga, widmete Johannes Maria Staud zehn Miniaturen für Klaviertrio. Jacqueline Roscheck (Vl), Attila Skekelly (Vc) und die Pianistin spielten zahlreiche korrespondierende Gesten, die rufartige Bezugspunkte schufen und auf diese eingependelt wurden. Kurze gedankliche Pausen schufen jeweils Raum für Neues, charakteristische Motive und spieltechnisch variierte, abgespaltene Floskeln übernahmen eine Zusammenhalt stiftende Funktion. Besonderes Augenmerk legte der Komponist auch in diesem Werk auf Intervallbeziehungen, die eigene Reibungen und Sogwirkungen ergaben. Kleingliedrige Tonlinien, die um Zielpunkte pendelten, mündeten in eruptive Klangblöcke.


Johannes Maria Staud hat einen hervorragenden Sinn für Proportionen, für den Aufbau von Spannungen im großen Verlauf. Gleichzeitig lenkt er die Aufmerksamkeit stets auf kleine Glieder, die den Bewegungsstrom quasi von innen her lenken und ausgestalten. Die Art und Weise jedoch, wie er in den zehn Miniaturen und auch in „Lagrein“ auf die Höhepunkte hinzielte, war ein Effekt haschendes Aufbäumen mit eher oberflächlichen Mitteln, beispielsweise Clusterklängen und ein etwas grobschlächtiges Auseinanderdriften der Tonlinien in extrem hohe bzw. tiefe Lagen mit etüdenhaft anmutenden Tongirlanden.


Poesievoll hingegen verstand es der Komponist, musikalisch ruhig konzipierte Tonlinien zu verflechten. Hier zeigte sich, wie er das kompositorische Ausgangsmaterial facettenreich charakterisiert sowie in unterschiedliche emotionale Bezugsfelder einbettet.



Poetisch, bildhafte Erzählstruktur



Am leichtesten erfassbar waren Stauds kompositorische Intentionen im Trio „Syndenham Music“ für Harfe (Volker Kempf), Flöte (Karl-Heinz Schütz) und Viola (Herbert Müller). Diese Besetzung inspirierte den Komponisten zu Themen, die eine stimmungsvolle Atmosphäre auslösten. Der musikalische Ausgangsgedanke war eingängig angelegt und wurde transparent aufgesplittet. Originell wurden die Töne von den einzelnen Instrumenten aufgefangen und in eigene Bahnen geführt. Bemerkenswert lenkte Johannes Maria Staud die Klänge der Harfe und auch der Viola um und implizierte mittels Spieltechnik den Klang einer arabischen Oud. So erhielt die Musik einen ganz anderen Touch, der sehr gut zur Geltung kam und vom Publikum mit viel Zustimmung goutiert wurde.


Spannend in „Lagrein“ für Violine, Klarinette (Alexander Neubauer), Violoncello und Klavier wurden die unterschiedlichen Linienverläufe gestaltet. Eine Melodie, die immer wieder abzusacken drohte, wurde einfallsreich aufgefangen und in einem Wechselspiel zwischen Klangebenen und Bewegungsverläufen gut proportioniert dargestellt.



Eine gute Ausgangsidee, mangelhaft umgesetzt



Einzig das Oktett „Configurations/Reflet“ für acht Instrumentalisten hinterließ einen eher unbefriedigenden Eindruck. (Unter der Leitung von Martin Kerschbaum musizierten neben den bereits erwähnten MusikerInnen Franz Michael Fischer, Vl; Werner Frank, Va; Peter Schreiber, Ob; Patrick Deritis, Fg; und Markus Obmann, Hrn.) Das Werk begann viel versprechend mit korrespondierenden Klangfarben und in engmaschigen Liegetönen changierenden Klangflächen. Hi Hats und große Trommeln wurden als Signal gebende Auslöser für musikalische Ereigniseinheiten eingesetzt, so dass überraschende Wendepunkte einige Anreize boten. Allerdings hielt der Reiz dieser Idee nicht lange an, weil sie zu undefiniert wirkte. Zudem „klebten“ die Musiker allzu sehr an den Noten. In meiner Wahrnehmung ergaben sich nur wenige Korrespondenzen zwischen den unterschiedlichen musikalischen Ebenen der Streich- und Blasinstrumente und der Perkussion.



Sympathisch und humorvoll



Im Gespräch mit Laura Berman erzählte der sympathische Komponist wenig über seine Werke, aber er unterhielt das Publikum auf seine Weise. Die Werkauswahl wirkte jedoch wenig repräsentativ für das kompositorische Schaffen des international erfolgreichen Johannes Maria Staud.