Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 26. Jul 2011 · Musik

Musikalische Inspiration - Eine schöne Werkdeutung des Oratoriums "Die Schöpfung" von Joseph Haydn bei den Bregenzer Festspielen

„Schöpfung“ lautet das Generalthema der diesjährigen Bregenzer Festspiele. Und eine inspirierte Schöpfung ist auch das gleichnamige Oratorium von Joseph Haydn, das zum Auftakt der Orchesterkonzerte interpretiert wurde. Die Wiener Symphoniker musizierten unter der Leitung von Christopher Moulds mit viel Bedacht auf die Tempi und exakten Phrasierungen. Sie standen den Solisten Olga Pasichnyk (Sopran), Forian Boesch (Bass) und Allan Clayton (Tenor) sowie dem Prager Philharmonischen Chor als konzentrierte Partner zur Seite. So entfaltete sich ein bildhaftes musikalisches Ganzes, das vom Publikum stürmisch gefeiert wurde.

Haydns „Schöpfung“ ist ein Meisterwerk der Musikgeschichte, das vor allem in den ersten beiden Teilen mitreißende Naturschilderungen entwickelt. Christopher Moulds führte die Wiener Symphoniker zu Beginn bedächtig, ganz auf die harmonischen und rhythmischen Besonderheiten der Einleitung konzentriert, in der die „Vorstellung des Chaos“ vor der Schaffung der Erde nachgezeichnet wurde. Die Dramaturgie hin zum strahlenden C-Dur-Akkord zu den Worten „Und es ward Licht“ gestaltete das Orchester mit spannender Zurückhaltung. Vor allem die vielen Tonmalereien, aber auch die transpartenden Themenführungen und die zahlreichen Soli, allen voran Karl-Heinz Schütz an der Flöte und Christoph Stradner am Violoncello, bewirkten ein abgerundetes musikalisches Ganzes. Für die Idylle im dritten Teil nahmen sich alle viel Zeit.

Vielschichtige Textdeutungen

Die Solisten charakterisierten die Aufführung wesentlich. Die Rolle des Erzengels Raphael war mit dem Bariton Florian Bösch besetzt. Dieser formte die Rezitative und Arien von der Erschaffung der Erde sowie seinen Part als Adam im dritten Teil des Oratoriums vielgestaltig. Besonderes Augenmerk legte er auf eine differenzierte Dynamik, die den musikalischen Vortrag einesteils textdeutlich machte und andernteils lebendig zum Ausdruck brachte. Olga Pasichnyk sang die Partien des Erzengels Gabriel und die Eva. Sie modulierte ihre Parts gut, sang aber mit ihrer feinen Stimme nicht immer textdeutlich. Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ der junge Tenor Allan Clayton. Er füllte seine Partien mit einer prachtvoll voluminösen Stimme aus, sang bewundernswert textdeutlich und artikulierte seine Parts als Erzengel Uriel mitreißend.

Gut disponierter Chor

Beeindruckend agierten auch der Prager Philharmonische Chor (Choreinstudierung: Lukas Vasilek) und die Altistin Jana Dvorakova. Sie sangen die kontrapunktischen Chorsätze mit Esprit und verliehen damit der Werkdeutung insgesamt eine strahlende Leuchtkraft.

Zwei Anmerkungen

So gesehen war das erste Konzert im Rahmen der Bregenzer Festspiele ein Erfolg. Doch zwei Gedanken ließen mich während der Vorstellung nicht los. Insgesamt waren die Symphoniker nicht üppig besetzt, doch komponierte Haydn sein Oratorium für einen bedeutend kleineren Klangkörper. Das Oratorium in dieser Besetzung zu spielen, ist als Grundsatzentscheidung selbstverständlich legitim. Doch obwohl sich alle Beteiligten größte Mühe gaben, um im Sinne der historischen Aufführungspraxis zu musizieren, wirkte der Orchesterapparat mitunter behäbig.
Ein zweites Augenmerk fällt selbstverständlich auf den unzeitgemäßen Text der Schöpfung. So nimmt man’s am besten mit Humor und hört dem sympathischen Tenor doch gerne zu, wenn er singt: „An seinen Busen schmieget sich, für ihn, aus ihm geformt, die Gattin, hold und anmutsvoll. In froher Unschuld lächelt sie, des Frühlings reizend Bild, ihm Liebe, Glück und Wonne zu.“
Als Idylle auch in der musikalischen Anlage muss man die liebreizenden Gesänge von Adam und Eva verstehen, wenn Eva nach der Textvorlage von John Milton aus dem berühmten epischen Gedicht „Paradise Lost“ singt: „O du, für den ich ward! Mein Schirm, mein Schild, mein All! Dein Will’ ist mir Gesetz. So hat’s der Herr bestimmt, und dir gehorchen bringt mir Freude, Glück und Ruhm.“