Ethan Coen hat seinen ersten Spielfilm als Soloregisseur gedreht: „Drive-Away Dolls“. (Foto: Focus Features)
Silvia Thurner · 17. Okt 2021 · Musik

Imposant und vital ausgestaltete Bachkantaten – Das Concerto Stella Matutina unter der Leitung von Alfredo Bernardini

Mit einem zweiteilig angelegten Konzert warteten Alfredo Bernardini und das Concerto Stella Matutina beim vierten Abonnementkonzert auf. Das Motto „Streitende Götter, tönende Pauken“ war zugleich Programm. Gemeinsam mit hervorragenden Gesangssolist:innen stellten die Musiker:innen die beiden weltlichen Bachkantaten „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde!“ sowie „Tönet, ihr Pauken! Erschallet Trompeten!“ in den Raum der Kulturbühne AmBach. Die Werkdeutungen boten eine erfrischende musikalische Unterhaltung und gewährten amüsant aufbereitete Einblicke in die Kompositionsgeschichte.

Die Kantate „Geschwinde, ihr wirbelnden Winde!" (BWV 201) erlebten die Zuhörenden als „Dramma per musica“. Johann Sebastian Bach verwendete darin sechs mythologische Figuren als musikalische Allegorien und zeigte auf musikalisch wirkungsvolle Weise, was er von kompositorisch neuen Tendenzen des empfindsamen Stiles und darüber hinaus vom kleinbürgerlichen Spießertum und Oberflächlichkeiten hielt.
Die Musikerinnen und Musiker des Concerto Stella Matutina musizierten unter der Leitung des Oboisten Alfredo Bernardini mit viel Elan und ansteckender Spielfreude. Sogleich sprang der Funke zum Publikum über und es entfaltete sich eine aufmerksame Konzertatmosphäre. Auf der Bühne trugen die hervorragend disponierten Solistin und Solisten Elisabeth Wimmer (Sopran), Franz Vitzthum (Alt), Michael Feyfar und Markus Schäfer (Tenor) sowie Matthias Helm und Dominik Wörner (Bass) in den Rollen des Momus, Mercurius, Tmolus, Midas, Phoebus und Pan einen musikalischen Wettstreit aus.
Zuerst stimmte das Orchester mit dem Chorus, dem auch Veronika Vetter (Sopran) und Lisa Weiss (Alt) angehörten, die Zuhörenden mit virtuosen Figurationen, wirkungsvollen Akzentverschiebungen und einer klaren Diktion in die Geschichte ein. Aufhorchen ließ dabei der homogene Gesamtklang des Chores, der aus acht Solist:innen zusammen gesetzt war.
Mit dunklem Timbre gestaltete Matthias Helm als Phoebus die Arie „Mit Verlangen druck‘ ich deine zarten Wangen“, deren Gesangslinie die Flöte und Oboe mit Basso Continuo sinnlich umspielten. Bitterböse wirkte die Parodie „Zu Tanze, zu Sprunge, so wackelt das Herz“, die Dominik Wörner mit amüsanter Theatralik in den Raum stellte. Darüber hinaus unterstrichen die bewusst übertrieben phrasierenden Orchestermusiker:innen die oberflächliche, aber durchaus wirkungsvolle und rhythmusbetonte Musik. In „Phoebus, deine Melodei hat die Anmut selbst“ war die affektbetonte Melodieführung des „alten Stils“ gut nachvollziehbar. Humorvoll wirkte auch die Aria des Midas, die Markus Schäfer mit den großen Intervallsprüngen und übertriebenen Akzentuierungen ausgestaltete und für dessen Fehlurteil er mit Eselsohren versehen wurde. Die Conclusio der Geschichte mündete schließlich im feierlichen, polyphon ausgestalteten Chorus „Labt das Herz, ihr holdene Saiten“.
Die Orchestermusiker:innen, die Gesangssolistin und -solisten gestalteten sämtliche Partien mit viel Einfühlungsvermögen aus, so dass die Kantate als Ganzes eindrücklich zur Geltung kamen. Mehr Vergnügen und Verständnis hätten die Zuhörenden jedoch gehabt, wenn sie die amüsanten Texte von C.F. Henrici auf Papier mitverfolgen hätten können.
„Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“ (BWV 214) strahlte mit den kraftvollen und polyphon gestalteten Stimmführungen erbauenden Glanz aus. Der zügig intonierte Eingangschorus entwickelte einen mitreißenden Groove. Elisabeth Wimmer, Franz Vitzthum, Markus Schäfer und Dominik Wörner versammelten sich als mythologische Figuren Bellona, Pallas, Irene und Fama, um die Kurfürstin von Sachsen, Maria Josepha, zu bejubeln. Mit großer Darstellungskraft stellte Markus Schäfer das Rezitativ „Heut ist der Tag“ in den Raum. Eine besondere Farbe verliehen das Flötenduett und die Pizzicatobegleitung im Violoncello der feinfühlig agierenden Sopranistin Elisabeth Wimmer in „Blast die wohlgegriffnen Flöten“. Gelenkig führte Franz Vitzthum die kunstvollen Melismen in „Fromme Musen! Meine Glieder“ im Zusammenspiel mit der Oboe aus. Das starke Bassfundament sowie das quicklebendig agierende Orchester und die virtuose Solotrompete imponierten in der Bassarie „Kron und Preis gekrönter Damen“.
Erfüllt von viel Wohlklang und Ehrerbietung applaudierte das Publikum enthusiastisch.