Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Silvia Thurner · 28. Mai 2010 · Musik

Im Einklang miteinander - Anna Magdalena Kokits am Klavier und Alexander Gebert am Violoncello spielten atemberaubende Werkdeutungen

Mitten im Alltag wurden in der Bludenzer Remise „Junge Talente in den Blickpunkt“ gestellt und ein Kammermusikabend der Extraklasse geboten. Der Cellist Alexander Gebert und die Pianistin Anna Magdalena Kokits interpretierten Kompositionen von Beethoven, Schumann und Brahms. Im Mittelpunkt stand das ihnen gewidmete, neue Werk „The Garden of Desires“ von Richard Dünser. Das Duo bescherte dem Publikum ein außergewöhnlich dichtes Konzerterlebnis, denn die beiden Musiker spielten aufregend schön und gut aufeinander abgestimmt.

In Beethovens Sonate für Klavier und Violoncello, op. 102 wurde die ruhige und konzentrierte Spielart des Duos spürbar, mit dem sie sich ganz in die Musik vertieften. Genau aufeinander abgestimmt präsentierten sie das Hauptthema und formten die Motivabspaltungen, stets mit Betonung der harmonischen Färbungen. Daraus entwickelte sich eine innere Spannung, die die Energie zum Allegro vivace hin bündelte. Mit Kraft, jedoch nie mit zuviel Pedal aufpoliert, spielte Anna Magdalena Kokits ihren Part. Im Einklang miteinander verliehen die Pianistin und der Cellist jedem Ton seinen Stellenwert, so dass der musikalische Fluss sehr lebendig wirkte. Steigerungen ergaben sich durch Beschleunigungen, humorvolle Einsprengsel und auffordernde Floskeln.

Romantische Tristesse

Der romantische Duktus, der bei Beethoven bereits angekündigt wurde, fand in den „Fünf Stücken im Volkston“, op. 102 eine Fortsetzung. Fast kauzig gestaltete das Duo den Eröffnungssatz. Rigoros agierte das Violoncello, dunkel gefärbte Klangwirkungen gingen vom Klavier aus. Überraschende Wendungen ergaben sich durch musikalisch ambivalente Dialoge. Der langsame Satz war ein Lied, das nuanciert und mit viel Aufmerksamkeit auf die Dynamik erklang. Träumerisch und mit einem hochromantischen Duktus über einem kunstvoll verwobenen Klangteppich im Klavier spielte das Cello die Kantilene im Mittelteil. Vor allem die Charakteränderungen der einzelnen Sätze sowie die jeweils sich ändernden Registerfarben belebten Schumanns Stücke, die mit Nachdruck sowie einer markanten Rhythmik beendet wurden. Da huschte fantasievoll das Nachtvolk vorbei.

Im „Garten der Lüste“

Daran anschließend präsentierten Anna Magdalena Kokits und Alexander Gebert „The Garden of Desires“ von Richard Dünser. Hier zeigten sie ihr ganzes Können, denn das Werk ist den beiden auf den Leib geschrieben. Richard Dünser verwendete als Inspirationsquelle für seine mitteilsame und farbenreiche Musik das Triptychon „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch. Damit entfaltete er ein äußerst spannendes musikalisches Gebilde, das zuerst die Entstehung der Welt andeutete. Schnell erhob sich der Klavierpart über die Liegetöne des Violoncellos und die Zuhörenden wurden mitten hinein geführt in eine vorerst intakte Welt. Die Musik wirkte mitteilsam, entfaltete ein Geben und Nehmen musikalischer Gebilde, die in den Zwischenfeldern beziehungsreiche Kontrastaktionen setzten. Sowohl Anna Magdalena Kokits als auch Alexander Gebert vertraten ihre Standpunkte mit Nachdruck bis sich der musikalische Fluss in eine Tonfloskel im Klavier in hoher Lage verflüchtigte. Daraus kristallisierte sich eine neue Geste heraus, feinsinnig und mit vorsichtigem Annähern aneinander entstanden kantilenenartige Felder. Vorwärts treibende Gesten lenkten die Aufmerksamkeit in unterschiedlichste Ecken.
Im zweiten Teil des Stückes hatten die Augen des Betrachters wohl den dritten Teil von Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“ erreicht, die „musikalische Hölle“. Kristalline Klänge und Tonlinien, die in Abgründe stürzten oder noch vorher zum Stillstand kamen, waren gut nachvollziehbar. Am eindrücklichsten wirkten die Tremoli und Trillermotive des Violoncellos, dicht und abstrus sowie orientierungslos eilende Motive durchschritten einen großen Tonraum. Symbolisch geschlossen wurde der "Garten der Lüste" mit den „Glockenschlägen“ im Klavier.
Richard Dünser verfasste ein eindringliches, ebenso spannendes wie unterhaltsames Werk für das Duo Kokits/Gebert. Eine wahre Freude war die Interpretation dieses neuen Werkes.

Symphonisches Klangvolumen

Johannes Brahms’ Sonate für Klavier und Violoncello, Nr. 2, op. 99 bildete eine Klammer zu Schumanns op. 102. Ideal ergänzten sich die Instrumente in diesem Werk, sodass beinahe symphonische Klangqualitäten entstanden. Die gleichen Wellenlängen der Kammermusikpartner waren in diesem Werk besonders spürbar und vor allem im zweiten Satz entstand der Eindruck einer Klangrede zwischen Cello und Klavier. Dramatisch aufbäumend wurde das „Allegro passionato“ in den Raum gestellt, so wurde der Gegensatz der Gewichtungen im Finalsatz noch deutlicher spürbar.