Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Peter Füssl · 29. Dez 2021 · Musik

Höchst unterhaltsamer Balkan-Jazz-Orchester-„Mischmasch“ – das Jazzorchester Vorarlberg feat. Orges & The Ockus-Rockus Band begeisterten am Spielboden

Genau am 28. Dezember vor 15 Jahren hatte das Jazzorchester Vorarlberg am Dornbirner Spielboden im Rahmen der Jazz&-Reihe seinen ersten öffentlichen Auftritt. Seither hat das kreative Großensemble alle seine auf unterschiedlichste Gäste zugeschnittenen Programme stets auch auf dieser Bühne präsentiert, da lag es natürlich nahe, dieses Bühnenjubiläum ebenfalls auf sozusagen heimatlichem Terrain abzufeiern. Und man hätte keinen geeigneteren Partner finden können als den aus Albanien stammenden und in Wien lebenden Gitarristen und Sänger Orges Toçe mit seiner Ockus-Rockus Band, die sich als Garanten für gute Laune auf hohem musikalischem Niveau herausstellten.

Balkanbilly

Bereits drei Alben hat das aus Toçe, dem Kontrabassisten Bernd Satzinger und dem Drummer Christian Marquez-Eberle bestehende Trio herausgebracht. Man bewegt sich innerhalb eines breiten musikalischen Spektrums zwischen Gipsy Swing, Balkan Sound, Jazz und Rock’n’Roll – Balkanbilly nennen sie diesen mitreißenden, abwechslungsreichen und witzigen Sound, wobei die Texte durchaus auch politische und gesellschaftskritische Inhalte transportieren sollen. Allein, Albanisch ist nicht jedermanns und -fraus erste Fremdsprache, weshalb wir den durchaus witzigen Ansagen Glauben schenken müssen. Zumal auch die Intensität von Orges Toçes zwischen Tom Waits und Georgij Alexandrowitsch Makazaria angelegten Organs keinerlei Zweifel an einer gewissen Dringlichkeit offenlässt.

Balkan-Dramatik und Surf-Gitarre 

Phil Yaeger, Posaunist, Komponist und Haus- und Hof-Arrangeur des JOV hat es bestens verstanden, das musikalische Ockus-Rockus-Universum auf äußerst originelle und effektvolle Weise in Jazzorchester-Sphären zu transferieren. So startete beispielsweise der Opener „Rrugeve (On The Road Again)“ mit dramatischem Bläserdonnergrollen, schlug in einen exaltierten Gipsy Swing um, unterlegte die rockigen Vocals mit satten Bläsersätzen und vermittelte eine Art New Orleans Nightclub-Feeling, das Toçe mit einem unterwarteten Surf-Gitarren-Solo toppte. „Scheiss auf Korruption“ hieß das zweite, ebenfalls auf Albanisch gesungene Stück, das aber ohnehin schon allein vom Titel her universal verständlich sein dürfte und musikalisch einiges an Balkan-Dramatik zu bieten hatte. Wenn man in Albanien genug von politischen Diskussionen habe, rate man dem Betreffenden „Spiel doch lieber auf der Kaval“, erzählt Toçe im Anschluss als Einleitung zu einer schönen, lyrisch-orientalischen Ballade, die wie ein gemächlicher Kamelritt durch die unendliche Wüste daherkam und von Phil Yaeger mit einem expressiven Solo veredelt wurde. So abwechslungsreich ging dieser Mischmasch" – so lautet auch der Titel eines der Stücke – 90 Minuten lang weiter. Phil Yaeger und Orges Toçe, dem es immer wieder gelang, das Publikum trotz Maske zum Mitmachen zu animieren, führten angenehm locker durch das Programm.

Kompakter Orchestersound und eindrucksvolle Soli 

Das Jazzorchester Vorarlberg meisterte die von Yaeger stilistisch vielfältig angelegten und mit interessanten Soundkombinationen angereicherten Arrangements mit Bravour. Christian Marquez-Eberle und Bernd Satzinger fungierten als perfektes rhythmisches Rückgrat des Großensembles, während Benny Omerzell am Keyboard wie der Hexenmeister in der Soundküche wirkte und unglaublich viel an Effekten und Stimmungen beitrug. Fast alle Jazzorchester-Mitglieder glänzten mit Solos, besonders beeindruckend waren aber jene der beiden JOV-Leiter Martin Franz auf Sopran- und Altsaxophon und Martin Eberle auf der Trompete. Zum Abwechslungsreichtum trug auch ein Intermezzo mit einem Medley der Songs von „Peshk“, dem aktuellen Album von Orges Toçe & The Ockus-Rockus Band, bei, das mit nur vier Bläsern (Klaus Peter, Martin Franz, Martin Eberle, Phil Yaeger) gespielt wurde.

So verging die Zeit im Flug, und um 21.30 Uhr ging sich gerade noch eine Zugabe aus, die Isabella Lingg auf dem Tenorsax ins Rampenlicht stellte. Denn schon stand die zumindest in diesem Zusammenhang sinnlose, wenn nicht kontraproduktive 22 Uhr-Sperrstunden-Regelung drohend im Raum – trotz genauer Einhaltung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen und eines durchwegs äußerst diszipliniert agierenden Publikums. Eine wundervolle Abwechslung innerhalb des nervtötenden Corona-Pandemie-Wahnsinns war dieses Konzert aber allemal.