Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 02. Nov 2019 · Musik

Heutzutage ein seltenes Ereignis – Jörg Widmann als Solist, Komponist und Dirigent in Personalunion mit der "Academy of St. Martin in the Fields“

Bei den Bregenzer Meisterkonzerten gastierte wieder einmal die berühmte "Academy of St. Martin in the Fields“ aus England. Geleitet und dirigiert wurde das Orchester vom temperamentvollen Musiker Jörg Widmann. Mozarts Klarinettenkonzert (KV 622) sowie seine Jupiter-Sinfonie (KV 551) flankierten Widmanns Konzertouvertüre „Con Brio“. Die erfrischend neu gedachten Werkdeutungen und Widmanns im Jahr 2008 entstandenes Orchesterwerk brachten Schwung ins Bregenzer Festspielhaus.

Der Klarinettist Jörg Widmann ist ein Garant für stets individuelle, direkt aus dem musikalischen Zusammenhang heraus kristallisierte Interpretationsansätze. Als Komponist hat er ein spezifisches Interesse daran, hinter die Kulissen von Themenfindungen und deren Phrasierungen zu blicken. Jörg Widmann musizierte auf der Bassettklarinette, für die Mozart sein Werk ursprünglich komponiert hatte. Dieses Instrument ermöglicht einen größeren Tonumfang in den unteren Registern. Der Klarinettenton des Musikers war beim ersten Höreindruck gewöhnungsbedürftig, denn er spielte in einer typisch ‚französischen‘ Diktion, leichtgängig in den schnellen Passagen, mit samtenem Klang in den Höhen, jedoch mit wenig erdigem Kolorit in der Tiefe. Bei Klangidealen und Geschmäckern scheiden sich bekanntlich die Geister, doch der Solist und die Musikerinnen und Musiker der "Academy of St. Martin in the Fields“ überzeugten mit ihrer Darbietung. Vor allem die kammermusikalische Musizierhaltung, ein bewundernswertes Pianissimo sowie kantig profilierten Themenführungen mit überraschenden Artikulationen zeichneten die Werkdeutung aus.

Herausragende Orchesterkultur

Nicht nur vom Solisten, sondern auch vom Konzertmeisterpult aus formte das Orchester die Musik. Besonders deutlich war auch erlebbar wie sich die einzelnen Stimmgruppen aufeinander bezogen. Jede Musikerin und jeder einzelne Musiker spielte mit viel Eigenverantwortung, so dass das Orchester als ein hervorragend aufeinander abgestimmtes organisches Ganzes agierte. Jörg Widmann und das Orchester nahmen sich auch Zeit für Temposchwankungen, die zahlreiche Phrasen und Übergänge wirkungsvoll unterstrichen.
In diesem Geist erklang auch Mozarts „Jupitersinfonie“. Jörg Widmann zeigte sich dabei als temperamentvollen Dirigenten. Insbesondere auf die dynamische Gestaltung legte er Wert, denn er konnte sich darauf verlassen, dass die Musikerinnen und Musiker eigenständig aufeinander hörten und musikalische Motive und Themen präzise ineinander verzahnten. Die in diesem Werk stets präsenten Gegensatzpaare zwischen Forte und Piano, Licht und Schatten oder rasche motivische Stimmungsumschwünge erklangen plastisch ausformuliert und bildeten im kontrapunktischen Finale eine mitreißende Schlusswirkung.

In Kontakt mit der Gegenwart

Es sind seltene Momente, in denen bei den Bregenzer Meisterkonzerten auch Musik unserer Zeit zu hören ist. Mit Jörg Widmann bot sich eine ideale Gelegenheit, dieses Manko auszugleichen, denn er ist auch als Komponist international sehr erfolgreich. Die „Academy of St. Martin in the Fields“ spielte unter der Leitung des Komponisten die im Jahr 2008 komponierte Konzertouvertüre „Con Brio“. Ausgehend von Ludwig van Beethoven schrieb Jörg Widmann eine Musik, die einesteils das Klangfarbenspektrum mit Bogen-, Luft- und Perkussionsgeräuschen sinnvoll erweiterte und andernteils originell mit Idiomen der klassischen Musik spielte. Das durchaus auch humorvoll konzipierte Werk wirkte mit den vielfältigen Korrespondenzen zwischen den Streichern, Bläsern und der Pauke besonders in der ersten Hälfte spannend. Von der Pauke als Perkussionsinstrument gingen wesentliche Impulse aus. So wurde die Aufmerksamkeit besonders auf die an Beethoven orientierte, durchgängig markige Rhythmik gelenkt. Das Orchester musizierte präzise und brachte die Charakterzüge der Musik mit viel Esprit zur Geltung.