"Rickerl – Musik is höchstens a Hobby" derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: 2010 Entertainment / Giganten Film)
Anita Grüneis · 18. Dez 2019 · Musik

Goldberg-Variationen im Vaduzersaal: Wenn zwei sich in der Kunst vereinen

Das Werk „Goldberg-Variationen“ von Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1741 regte Musiker immer wieder zu Neubearbeitungen an. In den Jahren 1880 bis 1885 schrieb der Liechtensteiner Komponist und Organist Josef Gabriel Rheinberger das Original für ein „Clavicimbel mit 2 Manualen“, einem Luxus-Instrument, das sich zu jener Zeit nur sehr wohlhabende Personen leisten konnten, für zwei Klaviere um. Sein Ziel war es, dieses Werk „als Schatz für die Hausmusik“ zu sichern. 1913 revidierte Max Reger diese Bearbeitung und auch später machten sich weitere Komponisten an diesem Werk zu schaffen. Das 80-minütige Stück wurde so immer wieder zu einem neuen Klangerlebnis.

Der katholische Rheinberger

An diesem Abend im Vaduzersaal spielte das Pianistenduo Yaara Tal und Andreas Groethuysen die Fassung von Josef Gabriel Rheinberger. Die zwei Musiker betrachteten diese Version der „Goldberg-Variationen“ als Glücksfall und „die reinste Erfüllung“, wie sie sich in einem Interview mit der „Zeit“ ausdrückten. Trotzdem hatten sie zunächst Skrupel, sich an das Werk zu wagen wegen der Art der Romantisierung, die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert mit barocker Musik geschah. „Bei einigen Bearbeitungen durch Liszt oder Reger macht das durchaus großen Spaß“, meinte Yaara Tal, „bei diesem Werk aber hatten wir Bedenken, dass es die Würde dieses Stückes zu sehr ankratzt oder sogar verfälscht. In Wirklichkeit ist es jedoch eine sehr subtile Bearbeitung. Überspitzt könnte man aber auch sagen: Rheinberger macht aus einem protestantischen Werk ein katholisches.“

Ein Pas de Deux aus Musik

Wie das tönt, war im Vaduzersaal zu hören. Yaara Tal und Andreas Groethuysen schufen an ihren zwei Klavieren mit den Rheinbergschen „Goldberg-Variationen“ eine außergewöhnlich sinnliche musikalische Geschichte, die mal verträumt wie Schumann, mal elegisch wie Rachmaninow und dann wieder klar strukturiert wie J. S. Bach klang. Die beiden Virtuosen waren perfekt aufeinander eingespielt, die Töne flossen ineinander, da war nicht mehr zu hören, welche von wem ausgesandt wurden. Ihr Musizieren glich einem Pas de Deux, bei dem die beiden alles selbst machten: Sie schufen die Musik, die Choreografie und tanzten das Ganze gleich selbst. Die Noten von Bach – und auch Rheinberger – wurden aus ihrem Notenheft befreit, sie durften sich verströmen, weite Bögen ziehen, sich verdichten, dramatisch anschwellen, um dann wieder sanft in sich hineinzufallen. Dabei wurde der Melancholie ebenso Raum gegeben, wie der Romantik, aber auch dem Barock, wenn die Musik plötzlich durchscheinend klang, beinahe streng.

Ein Paar – privat und künstlerisch

Das Spiel von Yaara Tal und Andreas Groethuysen war nie beifallheischend oder auf Wettbewerb aufgebaut. Die beiden musizierten wie in einem geschlossenen System – im Mittelpunkt stand die Bereicherung des Klangs, die Erweiterung des Werkes. Kurz gesagt: Die Kunst. Da war kein Platz für Eitelkeiten oder Prahlereien. Yaara Tal und Andreas Groethuysen leben für und mit ihrer Kunst seit rund 30 Jahren – und das gemeinsam, denn sie sind auch privat ein Paar. Das ist ihrem Spiel anzumerken. Das Paar verschmolz mit ihren Klängen aus den zwei Flügeln zu einer Einheit und doch blieb ihr Spiel transparent. Als sie zum Schluss die 30 Variations-Erzählungen mit der „Aria“ abschlossen, war nicht nur das Konzert zu Ende, auch die teilweise dramatisch erzählte Geschichte hatte ein fast zärtliches Happy end gefunden. Das Publikum hielt lange den Atem an, um die Töne nachklingen zu lassen und dankte dann mit großem Applaus.