Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Silvia Thurner · 27. Sep 2009 · Musik

Georg Breinschmid ist musikalisch souverän und durchtrieben, intelligent, besessen, vielseitig, witzig... Beim proFILE Jazz Festival am Spielboden Dornbirn bot er beste Unterhaltung und begeisterte das Publikum

Wenn der Kontrabassist Georg Breinschmid am Podium steht, ist dies immer ein Ereignis. Im Rahmen des proFILE Jazz Festivals 2009 war der in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Musiker mit drei Formationen am Dornbirner Spielboden zu erleben. Die musikalische Vielseitigkeit, gepaart mit seinem Humor und dem teilweise dadaistischen Programm war beeindruckend, nicht nur in der kompositorischen Ausdruckskraft, sondern auch im Hinblick auf die souveräne Spielart des Musikers. Seine Lust am Spiel und sein Einverständnis mit seinem Kontrabass waren während des gesamten Konzertabends erlebbar.

Ungewöhnliche Klangerlebnisse mit mitteilsamen Kompositionen

In der Band „classXXX“ musizierte Georg Breinschmid zusammen mit dem Saxophonisten Daniel Schnyder, mit Thomas Dobler am Vibraphon und Susanne Paul am Cello. Alle Eigenkompositionen wirkten vor allem als Zustandsbeschreibungen oder als poetische Songs, die den Musikern Freiraum für eigene Gestaltungen gaben. Deshalb kamen die außergewöhnliche Besetzung mit den eher „metallenen“ Klängen des Saxophons und des Vibraphons auf der einen Seite und die tiefen Streicher auf der anderen Seite in reizvollen Konstellationen zur Geltung. Atmosphäre schufen beispielsweise in „Fünf Viertel“ jene Klangfelder, über denen episodenhaft die melodischen Linien mit zahlreichen Verzierungen und Umspielungen erklangen, jeder Ton wurde genussvoll ausgekostet. Amüsant wirkte in „Musette pour Elisabeth“ die clowneske Linienführung. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten und das Stocken zwischendurch ergab eine humor- und mitteilsame Musik. Als besondere Delikatesse streute Breinschmid in fast jedes seiner Werke originelle Details, Übergänge und Floskeln und vor allem abschließende Gesten, die den Kontrabassisten sympathisch in Szene setzten. „La petite valse“ heißt das Stück, das Georg Breinschmid für seinen Kollegen Thomas Dobler komponiert hat. Darin zeigte der Vibraphonist seine differenzierte Anschlagstechnik. Spannend war das Werk aufgebaut, das erst allmählich konkrete Züge annahm und in dicht verwobenen, rhythmischen Überlagerungen wirkungsvoll gesteigert wurde.

Dadaistische Geschichten im musikalischen Skurrilitätenkabinett

Im zweiten Set kam Breinschmids Vorliebe für den Dadaismus voll zum Tragen, und das Publikum wurde mit einem skurrilen Musikkabarett unterhalten. Am meisten beeindruckte die Ouvertüre zur Operette „Die Ledermaus“, die Sebastian Gürtler an der Violine, Tommaso Huber am Akkordeon und Georg Breinschmid am Kontrabass boten. Eingebettet in die abstruse „Lebensgeschichte“ des Ivica Strauss, der von der Walzer-Dynastie Strauß nach Montenegro verbannt worden war, nahmen die Musiker das Publikum mit auf die Reise. Dabei spielten sie sich mit Idiomen der klassischen Musik, angefangen von übersteigert dargebotenen Überleitungen und einem völlig überzogenen Habitus von trillernden Übergängen bis hin zu überspannten Kadenzen. Walzerthemen wurden patchworkartig in Formate einer Polka und anderer Rhythmen verpackt und harmonische Beziehungen, die am Schluss vieler klasssicher Werke die Spannung zwischen den Tonartverwandschaften besonders betonen, dargestellt. Dem Stück eigen war der musikimmanente Witz. Darüber hinaus zeigte Georg Breinschmid, was er vom Schreiben und Reden über Musik hält, nämlich nichts. Ernst nehmen darf man den Künstler in diesem Programm allerdings nicht, denn er schert sich keinen Deut um plakative Anspielungen, nimmt die zeitgenössische Musik und den modernen Tanz, die Musikvermittler und Musikwissenschafter gehörig aufs Korn. Ich muss schon zugeben, dass ich mich als Musikwissenschaftlerin und als Liebhaberin der zeitgenössischen Musik auf eigentümliche Art angesprochen gefühlt habe. Schade, dass die kritische Distanz zu neuen musikalischen Ausdrucksformen mit eher oberflächlichen Anspielungen auskommen musste und sich nicht wie im ersten Stück aus der Musik heraus selbst entlarvte. Den mitreißend schwarzen Humor setzten die Musiker in der „Todespolka“ mit Überraschungselementen fort. Gefühlszuschreibungen wurden hier mit absurden Konfrontationen unterschiedlicher Musikstile in Frage gestellt, mit zahlreichen grotesken Wendungen wurde das Publikum immer wieder verblüfft. Dass Georg Breinschmid auch über sich selbst lachen kann, illustrierte er mit dem „Durchlauferhitzer“ im Stil eines Wienerliedes.

Erinnerung an ein Vorbild

Die „Hommage to Charles Mingus“ kam zum Abschluss des unterhaltsamen Konzertabends. Wieder wirkten Breinschmids Kompositionen in Anlehnung an sein Vorbild Charles Mingus durchdacht und beeindruckten durch ihre ideenreiche Stringenz. Sehr ausgewogen wirkte dieses Set jedoch nicht, denn Clemens Salesny (Sax) und Horst-Michael Schaffer (Trompete) schepperten auf ihren Instrumenten und setzten lediglich auf Virtuosennummern. Beeindruckend wirkte der Posaunist Johannes Herrlich, der erdig und mit musikalischem Gespür dem hohen Aufforderungscharakter, der von Georg Breinschmid ausging, folgte. Ebenso überzeugte Christian Salfellner am Schlagzeug, während Clemens Wenger am Klavier etwas zu unterrepräsentiert war. Nach gut hundertfünfzig Minuten Spielzeit wirkte Georg Breinschmid genau so motiviert und musikalisch geistreich wie zu Beginn. Die Idee des proFILE Festivals überzeugte aufs Neue. Als Konzertbesucherin beeindruckt mich die Vielseitigkeit der Programmgestaltung, den MusikerInnen bietet das Programmkonzept ein gutes Podium, um sich aus verschiedenen musikalischen Blickrichtungen zu profilieren.