Fouad Boussouf mit einer österreichischen Erstaufführung des Stückes „Fêu“ zu Gast beim „Bregenzer Frühling“ (Foto: Antoine Friboulet)
Peter Füssl · 01. Mai 2019 · Musik

Experimentierfreudig und anspruchsvoll – Jazzorchester Vorarlberg präsentierte neues Programm in der Kulturwerkstatt Kammgarn

Das vom Trompeter Martin Eberle und vom Saxophonisten Martin Franz gegründete und geleitete Jazzorchester Vorarlberg setzt von jeher nicht auf konventionellen Bigband-Sound, sondern auf kreative Herausforderungen, die in die unterschiedlichsten musikalischen Richtungen gehen können. Letztes Jahr stand eine Produktion mit Kompositionen des Südtiroler Komponisten Gerd Hermann Ortler auf dem Programm, die am 30. April im Harder Kammgarn uraufgeführten Kompositionen tragen nun die Handschrift des jungen Wiener Komponisten Vincent Pongracz. Der lotet höchst experimentierfreudig und anspruchsvoll die Möglichkeiten des Jazzorchesters Vorarlberg aus, was Jazzpuristen vielleicht weniger geschmeckt hat als musikalischen Frei- und Querdenkern.

Einstündige „Story of Alice“

Im Zentrum des Abends stand ein rund einstündiger, praktisch ohne Unterbrechungen präsentierter – nennen wir es der Einfachheit halber – Songzyklus, zu dem die in New York lebende Vokalistin Renee Benson aka Sista Raie die Texte verfasste. In der ziemlich absurd klingenden „Story of Alice“ ging es um archetypische Frauenbilder (Jungfrau, Mutter, weise Alte etc.) – von einigen wenigen Native Speakers abgesehen, dürfte aber kaum jemand in der Lage gewesen sein, dem Text inhaltlich zur Gänze zu folgen. Das war auch nicht wirklich notwendig, denn Bensons nach einer kurzen Aufwärmphase ziemlich strapazier- und höchst wandlungsfähige Stimme diente weniger der Vermittlung einer verbalen Botschaft als der äußerst erfolgreichen Erweiterung des Bandsounds um vokale Klangfarben. Dabei kam ihr, neben ihren gesanglichen Qualitäten, ein ausgeprägtes Gespür für dramatische Effekte besonders zugute.

Unkonventionelles in jeglicher Hinsicht

Die 2 Damen und 12 Herren der aktuellen Ausprägung des Jazzorchesters Vorarlberg, das sich ja für jedes Programm die passenden Akteure holt, waren stark gefordert: Permanente Rhythmuswechsel, stilistische Bocksprünge, schräge Harmonien, verblüffende Melodieentwicklungen, unkonventionelle Soundkonstellationen – das Unerwartete steht bei Vincent Pongracz sozusagen an der Tagesordnung. So bestimmten weniger die exzellenten Soli – allen voran sind Trompeter Martin Eberle, Saxophonist Jürgen Haider, Keyboarder Benny Omerzell, Posaunist Phil Yaeger und der sich als hervorragender Klarinettist präsentierende Komponist Vincent Pongracz zu nennen – den bleibenden Eindruck des Abends, als vielmehr die erstaunliche Komplexität dieser Musik. Eine permanente musikalische Achterbahnfahrt, die nur durch ein quasi organisches Zusammenspiel aller Mitwirkenden zu bewältigen ist. Da stehen Elemente aus zeitgenössischer Klassik (Pongracz nennt Olivier Messiaen als wichtigen Einfluss), Jazz, Hip-Hop und imaginärer Folklore neben schrägem Funk, donnernden Prog-Rock-Anklängen oder feinsten minimalistischen Strukturen – der musikalische Fundus, aus dem der 33-Jährige seine Ideen schöpft, ist riesig. Bei der Uraufführung dieser Kompositionen hatte man das Gefühl, dass sich dieses Projekt wie ein guter Wein noch entfalten könnte, und dass sich noch so manche Feinheiten erschließen würden, wenn man dieser vielversprechenden Formation mehr gemeinsame Zeit ließe. Jeder weitere Durchgang wird einen Zugewinn bringen. 

Jazzorchester Vorarlberg feat. Renee Benson aka Sista Raie
Komposition: Vincent Pongracz

Vincent Pongracz, Isabella Lingg, Klaus Peter, Jürgen Haider – reeds / Martin Eberle, Jodok Lingg – trp/flh / Jan Ströhle, Phil Yaeger, Thomas Halfer – trb/tuba / Christoph Ellensohn – flh / Benny Omerzell – keys / Peter Rom – git / Manu Mayr – b/ Christian Eberle – dr / Renee Benson - voc

Mi, 1.5., 20.30 Uhr Porgy & Bess Wien
www.porgy.at

Fr, 26.7. Popfest Wien
www.popfest.at

Außerdem ist im Herbst ein Auftritt beim Jazzit Salzburg geplant.
www.jazzit.at