Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Fritz Jurmann · 02. Dez 2013 · Musik

Evolution statt Revolution – Die Bregenzer Festspiele präsentieren die neue Intendantin Elisabeth Sobotka und Eckpunkte ihres Konzeptes

Der halb geöffnete Vorhang aus schwerem, goldenem Brokat, durch den man am Donnerstag den Raum zur Pressekonferenz im Bregenzer Seestudio betrat, hatte durchaus Symbolcharakter. Denn die Bregenzer Festspiele wollten damit dem großen Medieninteresse nach der Person ihrer neuen Intendantin Elisabeth Sobotka und deren Plänen ab 2015 zwar gerecht werden, dabei aber doch noch nicht zu viel verraten und den Vorhang „nur einen Spalt weit öffnen“, wie das Pressesprecher Axel Renner als eloquenter Moderator dieses Vormittags trefflich formulierte. So viel vorneweg: Sobotka setzt auf Evolution statt Revolution, riskiert kaum Experimente, besteht auf Sicherheit und Breitenwirkung in der Programmwahl und höchste Qualität in der Durchführung und bringt als Novität ein Opernstudio nach Bregenz.

Mit der offiziellen Bekanntgabe der Seeproduktion für 2015/16 mit Puccinis Oper „Turandot“ und zudem sogar der Oper „Carmen“ von Georges Bizet für 2017/18 betreiben die Bregenzer Festspiele eine vorbildliche Informationspolitik, wie sie angesichts langfristiger Vertragsabschlüsse im Kulturbereich professionell kaum anders denkbar ist. Ganz im Gegensatz zu den Kulturverantwortlichen der Stadt Feldkirch, die zum jetzigen Zeitpunkt, ein Jahr vor dessen Eröffnung, noch immer nicht zu wissen scheinen, womit sie das neue Montforthaus bespielen wollen.

Regie-Guru Stefan Herheim kommt nach Bregenz


Ein Name ließ in Bregenz besonders aufhorchen, der des international gefragten und ausgezeichneten deutschen Regisseurs Stefan Herheim. Seine „Entführung“ 2003 in Salzburg, sein „Parsifal“ 2008 in Bayreuth, sein „Rosenkavalier“ in Stuttgart mit Manfred Honeck am Pult 2010 sind Legende. Sobotka hat mit ihm den Deal vereinbart, dass er in ihrem Antrittsjahr 2015 die Regie von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ als Hausoper übernehmen wird – Signal für eine Neuorientierung dieser Sparte bei den Festspielen in Richtung gängiges Repertoire nach dem Ende von Pountneys Schiene jährlicher Uraufführungen und eine kleine Sensation. Mit dieser grundlegenden Änderung wird auch die Anzahl der Aufführungen von bisher drei auf sechs angehoben. Die Oper soll außergewöhnlich besetzt werden, im Moment arbeitet man an einer Bregenzer Fassung des unvollendet gebliebenen Werkes. „Hoffmanns Erzählungen“ war bereits 1987 und 88 auf dem See in einer Inszenierung von Jérome Savary zu sehen.

Elisabeth Sobotka, geboren 1965 in Wien, studierte Musik- und Theaterwissenschaft sowie Publizistik an der Universität Wien. Nach Stationen an den Opernhäusern in Leipzig, Berlin und an der Wiener Staatsoper ist sie seit 2007 Intendantin der Oper Graz. Mit 1. Jänner 2015 übernimmt sie die Intendanz der Bregenzer Festspiele auf fünf Jahre und löst damit David Pountney ab, der nach zehnjähriger Tätigkeit in Bregenz an der Welsh National Opera in Cardiff neue Herausforderungen suchen wird.

Der See bleibt auch für Sobotka das Kraftzentrum


Der See, so Sobotkas Bekenntnis zu Bregenz, müsse weiter der absolute Mittelpunkt der Festspiele bleiben, das See-Erlebnis habe Kraft und Stärke. Auch den zweijährlichen Wechsel im Programm will sie beibehalten. Die bereits länger als Gerücht gehandelte Wahl von Puccinis „Turandot“ als Seeproduktion 2015 wurde damit bestätigt, es ist für sie das rechte Stück für diesen Ort, „mit großem Pinsel gemalt“. Noch in der Ära von Ernst Bär wurde diese Oper 1979 auf der damals neuen großen Seebühne gegeben, allerdings mit mäßigem Erfolg. Das war freilich, bevor der Tenor Luciano Pavarotti den darin enthaltenen Arien-Schlager „Nessun dorma“ mit seinem strahlend hohen C in die Hitparaden geführt und Mercedes dieses Thema zum Werbeslogan erkoren hat. Nun hofft man zudem auf den China-Boom. Erstmals werden in der neuen Inszenierung Bühnenbild und Regie mit Marco Arturo Marelli einer Person anvertraut, am Pult der Wiener Symphoniker steht Paolo Carignani.

Auch Bizets „Carmen“, die 2017/18 folgen wird, gab es bereits 1991/92 in der verspielten Regie von Jérome Savary auf der Seebühne. Inszenieren wird Kasper Holten, für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet mit Esmeralda Devlin erstmals eine Frau. Die Wahl solch populärer Opern für die einnahmenseitig entscheidende Seebühne freut natürlich auch den Kaufmännischen Direktor Michael Diem, was für ihn Kontinuität und Veränderung in einem bedeutet. Dennoch sieht es Präsident Hans-Peter Metzler als seine vordringliche Aufgabe, in Verhandlungen mit den Subventionsgebern Bund, Land und Stadt eine Erhöhung der seit 1997 gleich gebliebenen Zuwendungen der öffentlichen Hand zu erreichen. Bregenz habe schließlich auch einen Bildungs- und Zukunftsauftrag, argumentiert Metzler, und ohne bessere strukturelle Rahmenbedingungen könne es einfach nicht weitergehen.

Zeitgenössische Schiene mit Werkstattcharakter


Als dritten Schwerpunkt ihres Konzeptes plant Sobotka die bisherige „Kunst aus der Zeit“ als zeitgenössische Schiene auf der Werkstattbühne weiterzuführen. Dort sollen künftig neue Opern und musiktheatrale Formate erprobt werden. Geplant sind Auftragskompositionen, Ur- und Erstaufführungen sowie Performances in Kooperation mit anderen Kulturinstitutionen. Dort wird es auch spartenübergreifende Verschränkungen im Programm geben, so etwa ein junges Hoffmann-Projekt als Analogie zur Hausoper. An den aus Tirol stammenden Komponisten und Pianisten Thomas Larcher erging bereits ein Kompositionsauftrag für eine neue Oper, deren Uraufführung 2016 geplant ist.

Die Festspiele wollen laut Sobotka nicht nur Kunst transportieren, sondern selbst zu einem Hort der Kreativität avancieren. So will man künftig dem künstlerischen Nachwuchs als eine Art Stipendium ein Forum bieten, sich zu erproben und unter professionellen Bedingungen Erfahrungen zu sammeln und zu intensivieren. Dazu sind ein Opern-Studio für junge Sänger sowie ein Opern-Atelier geplant, bei dem Regisseure, Textdichter und Sänger außerhalb der Festspielzeit gemeinsame Projekte erarbeiten, die später im Festspielprogramm zu sehen sind. Dabei wird auch eine Kooperation mit dem Vorarlberger Landestheater angestrebt.

Festspiele als Ganzjahres-Betrieb?


Damit dürften die Festspiele erstmals zu einer Art Ganzjahres-Betrieb übergehen. Auf eine Journalisten-Anfrage antwortete Elisabeth Sobotka dahingehend, sie werde in Zukunft hier wohnen und also praktisch ständig vor Ort sein. Ihr Vorgänger David Pountney war während des Jahres immer wieder als Regisseur außerhalb von Bregenz tätig gewesen, was ihm manche zum Vorwurf gemacht hatten. Das Kinder- und Jugendprogramm wird unter neuem Namen weiterentwickelt, dabei denkt man auch an eine eigene Kinderoper. Geschehen soll dies auch vorbereitend unter Einbeziehung der Schulen in Workshops, wie es Sobotka bereits in Graz mit Erfolg praktiziert hat.