Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Silvia Thurner · 30. Okt 2018 · Musik

Ereignisreicher Start der Bregenzer Meisterkonzerte – Jubel für Mikko Franck am Pult des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia und die Cellistin Camille Thomas

Sogleich nach der Eingangspassage war klar, dass dieses Meiserkonzert ein besonders packendes Hörerlebnis werden würde, denn so präzise und klar im Ausdruck ist schon lange kein Orchester mehr aufgetreten. Zum Auftakt der aktuellen Saison der Bregenzer Meisterkonzerte musizierte das italienische Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia unter der Leitung von Mikko Franck. Vom ersten Ton in Tschaikowskys Ouvertüre „Romeo und Julia“ bis zum letzten in der 2. Symphonie von Sibelius entwickelten Mikko Franck und das Orchester eine Kraftentfaltung mit großer Sogwirkung. Inspirierend wirkte darüber hinaus die poesievolle Spielart der Cellistin Camille Thomas im Cellokonzert von Edouard Lalo.

Mit einem ganz besonderen Augenmerk auf die tiefen Register des Orchesters formte Mikko Franck die einleitenden Passagen der Ouvertüre „Romeo und Julia“ von Peter I. Tschaikowsky. Dadurch erreichte er eine enorme innere Spannung, die die Dramatik des Geschehens unterstrich. Die Musikerinnen und Musiker des Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia folgten dem Dirigenten sehr präzise. Verstärkt durch den sprechenden Duktus der miteinander konfrontierten Hauptthemen zog eine gebündelte musikalische Energie die Zuhörenden in ihren Bann. Bemerkenswert an dieser Werkdeutung war zudem, dass nicht die Lautstärke das vorherrschende Prinzip der Wirksteigerung darstellte, sondern die äußerst stringente Spielweise des Orchesters.

Mitreißender Dirigent

Der 39-jährige Mikko Franck dirigierte einesteils sitzend, andernteils stehend vor den Orchestermusikern. Was zuerst verwunderte und auch Fragen aufwarf. Ob eventuell eine physische Beeinträchtigung ein sitzendes Dirigat notwendig machte, wurde sehr rasch zur Nebensache. Voll Power und mit einer präzisen Schlagtechnik entpuppte sich Mikko Franck als wahrer Klangmagier. Diese Qualitäten und das hervorragend disponierte Orchester boten beste Voraussetzungen für eine bewundernswerte Deutung der selten zu hörenden 2. Symphonie von Jean Sibelius.

Den zugrundeliegenden musikalischen Hauptgedanken transformierten die Musikerinnen und Musiker in vielgestaltigen Modulationen, sie formten plastisch einen Klangvorder- und -hintergrund aus und setzten hervorragend phrasierte, rhetorische Motive hinein. Der zweite Satz, in dem sich eine bedrohliche Spannung und Dramatik entwickelte, verströmte eine archaische Wirkung. Extreme Kontraste zeichneten das Vivacissimo aus, das von einer nervösen Floskel der Streicher und den ornamental ausgestalten idyllischen Kantilenen der Holzbläser lebte. Im Finale ging es dann vollends zur Sache. Wunderbar klar und transparent schichteten Mikko Franck und das Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia aus kleinen Einheiten verflochtene Klangflächen übereinander und führten den musikalischen Fluss mit einem bombastischen Orchesterklang in das wirkmächtige Finale.

Leidenschaft und Power

Im Mittelpunkt des Abends stand die viel beachtete 30-jährige Cellistin Camille Thomas. Sie musizierte mit dem Orchestra dell'Accademia Nazionale di Santa Cecilia das Cellokonzert von Edouard Lalo. Auf die Bühne trat sie mit dem passenden Outfit, denn Lalos Cellokonzert zeichnet sich unter anderem durch ein spanisches Flair aus. Camille Thomas intonierte das Cellokonzert kraft- und poesievoll zugleich. Besonders im zweiten Satz – Intermezzo – spielte sie ihre Qualitäten voll aus, denn hier kamen ihre fein nuancierte Tongebung und ihre hingebungsvolle Spielart voll zur Geltung. Virtuos formte die Cellistin das Finale aus, das mit einer stimmungsvollen, langsamen Einleitung eine große Erwartungshaltung aufbaute und schließlich in einen energiegeladenen Saltarello mündete.