Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Fritz Jurmann · 08. Nov 2010 · Musik

Er veredelt Donizettis „Liebestrank“ am Opernhaus Zürich: Toptenor Juan Diego Flórez

Das traditionsbewusste Zürcher Opernhaus steht kopf an diesem Sonntagnachmittag, 7. November, bei der so genannten Familienvorstellung von Gaetano Donizettis Belcanto-Oper „L’Elisir d’Amore“ („Der Liebestrank“). Anlass des Hypes ist der peruanische Shooting-Star Juan Diego Flórez, heute weltweit einer unter den Top-Five der jungen Tenöre, der damit durch seine Mitwirkung die erste von drei gewöhnlichen Repertoire-Vorstellungen über Nacht zum Event veredelt.

Die Begeisterung des voll besetzten Hauses entlädt sich schon beim Auftritt des jungen, schwarzgelockten Sängers, der ganz bescheiden, fast schüchtern die Ovationen entgegen nimmt. Nach dem Wunschkonzert-Hit in dieser Oper, der schmachtenden Arie „Una furtiva lagrima“ („Heimlich aus ihrem Auge sich eine Träne stahl“), entlädt sich ein Orkan über ihn, der so lange andauert, bis er die komplette Arie wiederholt, diesmal noch freier, gelöster, gefühlvoller als beim ersten Mal. Das haben auch altgediente Opernhasen in Zürich noch nie erlebt, ebenso wie die 15-minütigen Standing Ovations am Schluss.

Das hohe C ist makellos

Der Jubel um diesen Juan Diego Flórez ist nicht gelenkt, sondern echt. Er überzeugt vom ersten Moment an mit der Sicherheit und Schönheit seiner Stimme. Beim italienischen Belcanto ist er hörbar in seinem Metier, ausdrucksstark und beweglich meistert er die hohen Anforderungen an Leichtigkeit und Virtuosität in seiner Partie. Er differenziert und koloriert traumhaft, trumpft auch dramatisch auf, wenn es die Partitur verlangt. Und sein hohes C ist so strahlend makellos und jung, wie man es sich besser nicht wünschen könnte.Dabei zeigt der 37-Jährige in der Rolle des ebenso liebeskranken wie tollpatschigen Bauern Nemorino auch respektable schauspielerische Qualitäten.
Er belässt seiner Rolle eine gesunde Portion Naivität, überrascht aber mit Einlagen, die manchmal an seinen derzeit immer wieder kränkelnden Konkurrenten Rolando Villazón erinnern. Er schneidet wie dieser gerne Clown-Grimassen oder umarmt seine Partnerin beim Happyend so stürmisch, dass dem Publikum fast die Luft wegbleibt.

Dauerbrenner im süffigen Belcanto-Bereich

Überhaupt gibt es in diesen knappen drei Stunden viel zu lachen und zu schmunzeln im Zürcher Opernhaus. Denn diese Produktion, die man Flórez wegen wieder aus dem Fundus geholt hat, ist auch als Ganzes nicht von schlechten Eltern. Da kann man aber eigentlich auch nicht viel falsch machen in dieser 1832 komponierten Oper, die bis heute zu den Dauerbrennern im süffigen Belcanto-Bereich zählt. Regisseur Grischa Asagaroff hat sich mit seinem Bühnenbildner Marouan Dib auf eine bewusst in der Entstehungszeit angesiedelte Deutung geeinigt, ohne qualvoll verrenkte  aktuelle Querverweise und mit naiv bemalten Kulissen, die in barocker Schiebemanier hin und her bewegt werden. Dazu bringen sie Elemente der italienischen Commedia dell’Arte mit einem Harlekin als quickem Spielmacher ein, überzeugen durch konsequente Personenführung, Stringenz und amüsante Einfälle wie ein mehrfach über die Bühne huschendes Wildschwein.

Am Pult steht „Papa Santi“

Am Pult des Zürcher Opernorchesters steht mit dem 79-jährigen Nello Santi, von den Musikern heute liebevoll „Papa Santi“ geheißen, eine Legende des italienischen Opernrepertoires, der für eine routinierte, aber durchaus auch inspirierte und temperamentvolle Wiedergabe sorgt. Freilich kann auch er manchmal im Zusammenspiel mit Flórez und der Bühnenmusik gewisse Koordinationsschwierigkeiten nicht ausräumen, die vermutlich auf ein Probenmanko zurückzuführen sind. Die weiteren Partien sind auf dem am Zürcher Opernhaus gewohnten soliden Niveau besetzt, wenn auch niemand von ihnen dem Star der Vorstellung wirklich das Wasser reichen kann. Bei der gesanglich topfitten Isabel Rey als Adina stört einzig, dass sie altermäßig die Mutter anstelle der Geliebten Nemorinos sein könnte. Gabriel Bermudez als Nebenbuhler Belcore bietet die köstliche Karikatur eines aufgeblasenen Offiziers, Alfonso Antoniozzi hat als quirliger Bassbuffo und Scharlatan Dulcamara die Lacher stets auf seiner Seite.  

Juan Diego Flórez singt noch zwei Mal in Zürich den Nemorino im „Liebestrank“, Donnerstag, 11. November, 20 Uhr, und Sonntag, 14. November, 20.15 Uhr, Dauer ca. drei Stunden, Restkarten erhältlich unter 0041 / 44 268 66 66 oder unter www.opernhaus.ch oder www.zurichticket.ch