Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Silvia Thurner · 07. Mai 2021 · Musik

Ein stimulierendes musikalisches Gesamterlebnis – begeisterte Jubelstimmung nach einem in vielerlei Hinsicht eindrücklichen Pforte-Kammerkonzert

Das Pforte-Team reagiert flexibel auf die Unwägbarkeiten der Zeit und so konnte die Kammermusikreihe „Musik in der Pforte“ wieder Fahrt aufnehmen. Weil ursprünglich engagierte Mitwirkende nicht nach Österreich einreisen konnten, lud Klaus Christa den in Vorarlberg sehr geschätzte Geiger Pavel Zalejski sowie SonghHaChoi (Violine), Danusha Waskiewicz (Viola) und die Cellistin Kajana Packo zum gemeinsamen Musizieren ein und landete damit einen Volltreffer. Auf dem Programm unter dem Leitgedanken „Aus einer anderen Welt“ standen neben Dvoraks Streichquintett, op. 97, die Uraufführung des neuesten Werkes „Atma“ von Julia Lacherstorfer sowie ein wiederentdecktes Streichquintett, op. 7 der Wiener Komponistin Johanna Müller-Hermann. Das geist- und humorvolle Werk versetzte die Zuhörenden in Staunen. So wurde das zweite Abonnementkonzert sowohl im Hinblick auf die Werkauswahl als auch wegen der überragenden Spielweise des Ensembles ein großes Hörerlebnis.

Die Komponistin Johanna Müller-Hermann war zu ihren Lebzeiten in Wien um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert eine hoch angesehene Künstlerin. Sie war Schülerin von Guido Adler und Alexander Zemlinsky und als Professorin für Musiktheorie am Neuen Wiener Konservatorium tätig. Obwohl sich Komponisten- und Musikerkollegen wie Franz Schmidt und Wilhelm Furtwängler für die Erhaltung ihres musikalischen Oeuvres einsetzten, gerieten Müller-Hermanns Kompositionen sogleich nach ihrem Tod in Vergessenheit. Es ist Nachforschungen von Klaus Christa zu verdanken, dass nun das Opus 7 aus der Versenkung geholt wurde. Er entdeckte das im Jahr 1909 uraufgeführte Streichquintett im Archiv der Wiener Nationalbibliothek. Nun erlebte die Komposition höchstwahrscheinlich nach mehr als hundert Jahren eine Wiederaufführung im Feldkircher Pförtnerhaus.

Sogleich im Eröffnungssatz zogen die stringente Themenführung und die dichte Verarbeitung unterschiedlicher Ausdruckcharaktere die Zuhörenden in den Bann. Über einem satten Klanggrund kristallisierten die hohen Streicherstimmen aus Motivfragmenten intensiv verwobene rhetorisch-musikalische Frage- und Antwortspiele heraus. Gleichzeitig wurden die Bewegungsenergien imposant gesteigert. Der kauzige zweite Satz, ein Allegro Vivace, erzeugte mit impulsgebenden, vorwärtsdrängenden Phrasen sowie abrupt abgebrochenen signalartigen Motiven eine Musik, die Bilder im Kopf erzeugte und den Humor der Komponistin eindrücklich zur Geltung brachte. Im Adagio con expressione entfaltete sich eine schwüle Nachtstimmung, die gemeinhin mit der Atmosphäre des „Fin de Siècle“ assoziiert wird. Das Finale bot ein Resümee des bisher Gehörten und bildete eine expressive Klammer zu den vorangegangenen Sätzen.

Der Gegensatz zwischen dem Streichquintett von Johanna Müller-Hermann und Julia Lacherstorfers neuestem Werk „Atma“ hätte größer nicht sein können. So gesehen waren die beiden Werke hervorragend positioniert, denn das auf das Wesentliche reduzierte neue Werk profitierte von der überreichen Themen- und Motivfülle des vorhin Gehörten.

Zurück zu den Anfängen

Julia Lacherstorfer, die Frontfrau der viel beachteten Band „Alma“, führte in ihrem Streichquintett den musikalischen Fluss auf die Wurzeln der Musikentstehung zurück. Am Anfang stand der Atem, der Luftfluss, der alles Schwingende bewegt. Mit fein verwobenen Klanglinien sowie Flageoletts lenkte die Komponistin die Ohren auf die Anfänge der Tonentstehung und die Obertonreihe. Während die hohen Streicher die Tonlinien nahe am Griffbrett strichen, führte die Cellistin ihren Bogen nahe am Steg. Dabei kamen unterschiedliche Klangfarbenspektren in einer feinsinnigen Mischung zur Geltung. Die gesungenen Töne von Klaus Christa und der Bratschistin Danusha Waskiewicz verwiesen zudem auf die Ausgangsüberlegungen der Komponistin. Genau in diesen Passagen wurde aber auch deutlich, dass Julia Lacherstorfers Musik auch sie selbst und ihr Charisma als Musikerin und Sängerin benötigt, um eine wirklich authentische Wirkung zu verströmen.

Fulminantes Zusammenwirken

Vor allem in der Werkdeutung von Dvoraks Streichquintett op. 97 zeigte sich die Meisterschaft der fünf Musikerinnen und Musiker, die auf der Bühne im Feldkircher Pförtnerhaus zusammengefunden haben. Allen voran beeindruckte Pavel Zalejski an der Primgeige. Er modellierte die musikalischen Themen in allen Werkdeutungen markant bewegt und belebte jede Phrase der Musik, so dass die inneren Wirkzusammenhänge hervorragend herauskristallisiert erklangen. Am anderen Ende der Tonhöhenskala war ihm die Cellistin Kajana Packo eine ebenbürtige Partnerin. Sie bot ein kraftvolles Fundament und interagierte sehr kommunikativ mit ihren musikalischen Partnerinnen und Partnern. Im Zusammenspiel mit SongHa Choi an der zweiten Violine sowie Danusha Waskiewicz und Klaus Christa an den Bratschen entwickelte sich eine Dynamik, in der jede und jeder Einzelne über sich selbst hinauswuchs und ein großes musikalisches Ganzes entstand, das noch lange nachwirken wird.

Sendetipp: 17.5. und 24.5.2021 ORF Radio Vorarlberg, 21.05 Uhr