Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Silvia Thurner · 09. Mai 2021 · Musik

Mit einem persönlichen Zeit-Ort-Stempel – Der Lyriker Gerald Rauscher und der Komponist Thomas Heel setzten Wort und Ton geistreich in Beziehung zueinander

„Kontumaz“, eine alte Bezeichnung für Quarantäne, nennt Thomas Heel sein neuestes Projekt. Beeindruckt von dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Gedichtband „Wenn der Schnee reift“, lud der Komponist und Musiker den Lyriker Gerald Rauscher zur Zusammenarbeit ein. Der Kunstverein „Illitz“ initiierte die musikalische Lesung an einem reizvollen Ort. Die Tischlereiwerkstatt von Werner Salzgeber in Tschagguns bot ein schönes Ambiente für die anregende, aber teilweise auch anstrengende Begegnung von Text und Musik.

Thomas Heel legte der musikalischen Lesung eine zweifache Konzeptidee zugrunde. Neben die bilderreichen Gedichte von Gerald Rauscher, die meist von Abschied und Tod handeln, stellte er eigene, zeitkritische Texte. Die Gedichte und Haikus unterlegte der Komponist mit Perkussion und Bläserstimmen. Während die einen Stücke als eine Art Textkomposition auch einen starken rhythmischen Anteil beinhalteten, diente in anderen Werken die Musik mittels ruhigen Tonlinien dazu, die Atmosphäre der Lyrik zu unterstreichen.

Gerald Rauscher wurde 1969 im Montafon geboren, studierte Politikwissenschaft und Philosophie in Innsbruck sowie katholische Theologie in Tübingen. Dort lebt er mit seiner Familie und ist seit mehr als fünfundzwanzig Jahren als Personalreferent bei der Firma Hewlett Packard tätig. Als Autor verfasste er unter anderem die Monografie "Kein Zeichen, kein Wunder: Rolf Hochhuth über Schöpfer, Schöpfung und Geschöpf" und legte zwei Lyrikbände vor. „Rückwärts rudern“ veröffentliche der immer schon literarisch Aktive bereits vor zwanzig Jahren. 2020 publizierte Gerald Rauscher einen zweiten Lyrikband mit dem schönen Titel „Wenn der Schnee reift“. Hierzulande ist Gerald Rauscher noch nie als Lyriker in Erscheinung getreten, und der Vortrag seiner eigenen Texte war gleichzeitig auch sein Debüt.

Vom Klanggrund zur Textkomposition

Dementsprechend groß war die Vorfreude, wie Thomas Heel und Gerald Rauscher Wort und Musik in Beziehung zueinander stellen werden. Dies gelang insbesondere in den beiden Abschnitten „Eigenes, Fremdes, Verwandtes“ sowie „Verflogenes, Verlogenes“ hervorragend. Mit einem aus Tonlinien bestehenden Klangteppich mit kreativ eingesetzten Perkussioninstrumenten, Trompete bzw. Flügelhorn, Melodica und Posaune schuf Thomas Heel einen feinen Klanggrund für die Texte. Gerald Rauscher rezitierte die Lyrik in einzelnen Gedankenbildern. Die dazwischen geschalteten musikalischen Passagen ließen die Verszeilen nachwirken und gaben Zeit zum Reflektieren des Gehörten.

Zuviel des Guten stellten jedoch die rhythmisierten Texte in „Carpe that fucking diem“ und „Der fehlende Vater“ dar. Dabei wurde die der Lyrik immanente Wortrhythmik gestört, und der Vortrag verbunden mit Musik war der Textverständlichkeit eher hinderlich.

Humorvoll wirkten Thomas Heels Textkompositionen „Als“, „Sondern“, „Damit“ und „Während“, entnommen aus den unveröffentlichten Schriften „Styrophohr – vier böse Konjunktionen“ sowie „Lockbuch – 20 Haikus“. Die zeitkritischen und ironischen Untertöne kamen gut zur Geltung. Hervorragend setzten die Musiker Patrik Haumer, Bertram Müller, Emmanuel Schöch, Thomas Heel und Hubert Sander die musikalischen Parts in Szene. Darüber hinaus beeindruckten Patrik Haumer, Bertram Müller und Thomas Heel auch als Ausführende der Textkompositionen, in denen sie die Rhythmik der Sprechrollen prägnant ausformten.

Vermehrt Eigenproduktionen

Der Kulturverein „Illitz“ leitete mit dieser musikalischen Lesung eine neue Programmschiene ein, die in Zukunft mehr auf Eigenproduktionen mit einem besonderen Augenmerk auf Literatur in Verbindung mit Musik setzen will.