Ein Klavierrecital als musikalisches Großereignis – Boris Giltburg bei der Chopin-Gesellschaft in Feldkirch
Bereits zum dritten Mal konzertierte der international gefeierte Pianist Boris Giltburg im Rahmen der Chopin-Gesellschaft im Pförtnerhaus Feldkirch. Die vielen musikbegeisterten Zuhörer:innen wussten, dass sie ein besonderes Ereignis erwartet, wenn der aus Israel stammende Musiker spanische, französische und russische Musik von Albéniz, Granados, Ravel und Rachmaninow interpretiert. Boris Giltburgs atemberaubend farbenreiche und virtuose Spielart sowie die konzentrierte Atmosphäre im Konzertsaal fügten sich zu einem musikalischen Erlebnis zusammen, das nur in Superlativen beschrieben werden kann.
Boris Giltburg tritt sehr bescheiden und natürlich auf. Er spielt ohne ausladende Gestik, modelliert jeden einzelnen Ton mit einer bewundernswerten Konzentration und zieht damit das Publikum sofort in seinen Bann. Die spannend zusammengestellte Werkauswahl bot alles auf, was einen fulminanten Konzertabend ausmacht. Während Albéniz in seinem Werk den spanischen Flamenco in Szene setzte, bezog sich Granados auf die Bildende Kunst eines Francesco Goya. Der französische Symbolismus lebte in Ravels Klavierzyklus auf und mit Rachmaninows Klaviersonate präsentierte Giltburg ein Werk, dem die Literatur als Inspirationsquelle gedient hat.
Die Komplexität der Werke und die vielschichtigen Spieltechniken ergaben einen raumgreifenden, orchestralen Klavierklang. Doch Boris Giltburg vermittelte trotz der äußerst anspruchsvollen Kompositionen nie den Eindruck akrobatischer Virtuosität. Ganz bei sich selbst und in Kommunikation mit den musikalischen Gestalten kristallisierte der Pianist die Themen bewundernswert transparent und nuanciert aus dem dichten Klanggeschehen heraus. Die musikalischen Quintessenzen waren auf diese Weise gut nachvollziehbar und verströmten eine mitreißende Wirkung.
Boris Giltburgs konzentriertes und doch entspanntes Musizieren übertrug sich auf das Publikum. So stellte sich eine inspirierende Stimmung ein, in der die Aussagekraft der Musik voll zur Geltung kam.
Boris Giltburg präsentierte sehr farbenreiche Kompositionen. In „El Albaicín“ aus dem Zyklus „Iberia“ von Isaac Albéniz stand der spanischen Flamenco im Mittelpunkt. Die melodisch gesanglichen Linien ließ der Pianist dabei in eine lebhafte Kommunikation mit temperamentvoll ausgestalteten, rhythmischen Akkordzerlegungen treten.
Expressiv ausgestaltet erklang das Werk „Quejas o la maja y el ruiseñor“, aus Enrique Granados sechsteiligem Zyklus „Goyescas“. Plastisch baute Boris Giltburg aus einem perkussiven motivischen Kern den archaischen Duktus der Musik auf. Die beiden gegensätzlichen Themenblöcke, einerseits mit einem in sich ruhenden Charakter und andernteils mit einem erregt quirligen Gestus, wurden aussagekräftig zueinander in Beziehung gesetzt, so dass die bilderreichen musikalischen Gestalten anschaulich nachempfunden werden konnten.
„Miroirs“ von Maurice Ravel führte tief hinein in den französischen Symbolismus. Jedem Ton verlieh Boris Giltburg seinen Stellenwert und schrieb charakterisierende Intervalle in einen feinsinnig geöffneten Tonraum ein. Den melodischen Fluss führte er dabei stringent zu den Zielpunkten hin. Ein großer innerer Spannungsbogen entfaltete sich in „Un barque sur l’océan“. Im vierten Abschnitt, „Alborada del gracioso“, faszinierte Boris Giltburg mit seiner spieltechnischen Brillanz. Gleichzeitig stellte diese Passage die Repetitionsfähigkeit des schönen Bösendorfers gehörig auf die Probe.
Groß dimensioniert und detailreich
Sergei Rachmaninow zog mit seiner ersten Sonate in d-Moll, op. 28 alle Register des Klavierklangs. Dass der Komponist in den drei Sätzen von Goethes Faust und den drei Protagonist:innen Faust, Gretchen und Mephisto inspiriert war, war beim Miterleben des Aussagegehalts der Musik einesteils hilfreich, aber nicht vordergründig bedeutend. Vielmehr machte die Art, in der Boris Giltburg die melodischen Haupttöne aus dem vielschichtigen Ganzen herausschälte und die harmonischen Verläufe ausformte, sowie die Themencharaktere in einem klanglichen Vorder- und Hintergrund darstellte und zueinander in Beziehung brachte, die Werkdeutung zu einem mitreißenden Erlebnis. Der Pianist selbst modellierte die Themen in einer kommunikativen Zwiesprache mit der Musik und wirkte dabei sehr verinnerlicht. Die Kraft, mit der die Rhythmik im Finale zum Ausdruck gebracht wurde, setzte der Werkdeutung die Krone auf.
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