Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Silvia Thurner · 02. Aug 2020 · Musik

Ein geistreiches musikalisches und literarisches Vergnügen – das Ensemble plus hinterließ im KUB einen großen Eindruck

Nach der mehrmonatigen Zwangspause meldete sich das Ensemble plus mit einem starken Lebenszeichen zurück auf dem Konzertpodium. Der Bratschist und Ensembleleiter Guy Speyers hat dazu Kompositionen von Gerald Futscher und Nikolaus Brass zusammengestellt, die ausgezeichnet in das überakustische Foyer des Kunsthauses Bregenz passten und von Andreas Ticozzi und Guy Speyers an den Bratschen, der Flötistin Anja Nowotny-Baldauf und Gerald Futscher am Harmonium hervorragend interpretiert wurden. Ergänzend dazu bereicherten die hintergründigen Texte des Autors Christian Futscher den dichten Ablauf im voll besetzten Auditorium.

Gerald Futschers Werke zeichnen sich in mehrerlei Hinsicht aus. Seine Musik ist sinnlich erfahrbar und evoziert Klangbilder. Gleichzeitig ist der musikalische Satz streng organisiert, kontrapunktisch angelegt und bietet in den fein verschachtelten musikalischen Gesten zahlreiche Anreize. Die ohnehin dichten Texturen vervielfältigt der Komponist oft und gerne mit Zuspielungen, um damit eine weitere Stimmenverdoppelung zu erzielen. Bei der Darbietung des ersten Teiles aus Futschers Werk „3 Sätze für Harmonium, Viola und Tonband“ entwickelte sich ein faszinierendes Stimmengeflecht der gleichberechtigten musikalischen Linien. Noch dazu wirkte der akustische Raumeffekt hervorragend, weil die live gespielten und die zugespielten Parts nicht von vornherein unterscheidbar waren.
Gerald Futschers Harmonium war schon öfters im Einsatz und entfaltete auch in dieser Performance seinen ganz besonderen Charme. Im KUB-Foyer stellte sich eine fast sakrale Stimmung ein, als das Harmonium und die Viola miteinander in einen musikalischen Dialog traten. Aufhorchen ließ unter anderem die romantische Kantilene der Viola, die sich als Antwort auf unruhige Tonfloskeln im Harmonium aus dem Klangfluss erhob.
Ähnlich, aber mit einer lichteren Textur legte Gerald Futscher sein Stück für Piccolo, Viola und Tonband an, das Anja Nowotny-Baldauf und Guy Speyers zur Uraufführung brachten. Auch hier spielte ein vorgefertigtes Sample eine gleichberechtigte musikalische Rolle. Die Flötistin und der Bratschist orientierten sich konzentriert aufeinander und verflochten die Linien kommunikativ, so dass die musikalischen Gesten und die nuancierten Tonqualitäten transparent zur Geltung kamen. Leider störte das Aufdröhnen des Verkehrslärms von außen mitunter den filigranen Klangfluss.

An der Sprache orientierte Musik und umgekehrt

Die beiden Stücke für Bratsche solo hat Nikolaus Brass speziell für Andreas Ticozzi komponiert und mit viel rhetorischem Feingefühl ausgestaltet. Im Werk „2. Strophe“ zelebrierte der Solist die mehrstimmigen Passagen mit sensibler Stimmführung und kristallisierte die große Klangenergie des Instruments heraus. Auch für dieses Werk waren die akustischen Bedingungen im KUB-Foyer ideal, denn der Raumklang ließ es zu, den musikalischen Linien nachzuhören.
Erstmals gespielt wurde Brass‘ Solostück „Die wenigen Geräusche – 3. Strophe für Viola solo“. Spannend entwickelte sich das Verhältnis von Flageolettklängen und unterschiedlich intonierten Tonbeziehungen. Impulsartige Bewegungsmuster wurden in den Raum gestellt, die sich entweder vielgestaltig auflösten oder in einem Kommunikationsfluss verdichteten. Konzentriert und mit viel Bedacht auf die einzelnen Phrasen präsentierte Andreas Ticozzi das Werk.
Zwischen die musikalischen Darbietungen eingegliedert las Christian Futscher aus seinem Lyrikband „Das Pfeifen der Gräser“. Allein der Titel weist darauf hin, dass der Autor das Gras wachsen hört und aus allen Lebensbereichen und Lebenslagen Inspiration für seine originellen Aphorismen schöpft.
Das Zusammenwirken von Musik und Wort und die niveauvollen Werkdeutungen machten dieses Konzert zu einem herausragenden Erlebnis, das noch lange nachwirkt.