Anna Hints‘ preisgekrönter Dokumentarfilm „Smoke Sauna Sisterhood“ ist derzeit in den Vorarlberger Kinos zu sehen.
Peter Ionian · 21. Mai 2022 · Musik

Ein Albumkonzert, das Veränderlichkeit präsentierte - Sophie Hunger im Conrad Sohm

Sophie Hunger ist gerade auf Tour und präsentiert ihr letztes Solo-Album „Halluzinationen“. Bis zum Sommer tritt sie damit noch in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Holland und sogar in Großbritannien auf. Gestern machte sie auch hier in Vorarlberg halt und gab ein Konzert im gut besuchten Prachtclub Conrad Sohm. Eine Premiere, denn sie war das erste mal dort. Bisher habe sie immer nur erzählt bekommen, von diesem „kleinen Club im Wald“. Sie hat hier wohl eine solide Fanbase, denn es fanden viele Leute den Weg bis hinein ins Gütle. Die relative Nähe zur Schweiz hat auch sehr viele Menschen von dort her angelockt, eh klar da Sophie Hunger als gebürtige Schweizerin ja auch sehr erfolgreiche Dialektsongs in Schwyzerdütsch veröffentlicht hat.

Beim Ankommen im Conrad Sohm war schon auffällig, dass Sophie Hunger ein ganz konkretes Publikum angezogen hatte. Das waren erwachsene Menschen, nicht unbedingt die jüngsten und das waren vermeintlich aufmerksame Hin- und Zuhörer:innen, Menschen, denen die Musik wichtig ist, statt viel Show und Effekthascherei. Gut so, denn davon gab es auch nicht viel. Sophie Hunger begann das Konzert mit der akustischen Gitarre und einem Dialektlied. Sie blieb in schwachem rotem und wenig blauem Licht. Ein Auftritt eher im Dunkeln. An dieser Grundstimmung sollte sich auch das ganze restliche Konzert nicht mehr viel ändern, manchmal kamen noch dezente weiße Fächer hinzu. Aus dieser Düsterheit stach ihre mächtige, charismatische Stimme hervor und erhielt vielleicht gerade deshalb noch mehr Raum und Aufmerksamkeit.

Nervöse Energie bei vollem Risiko

Hunger präsentierte dann ihr letztes Solo-Album „Halluzinationen“, das bereits siebte der 1983 geborenen Wahlberlinerin. Schon im Vorgängeralbum zeigte sich eine Kehrtwende, denn sie setzte vermehrt auf elektronische Elemente, statt den vollen Chören und Bläsersätzen. Es wurde mal über sie geschrieben, dass sie nun wohl ganz in Berlin angekommen sei und vielleicht ist ja auch die Stadt ganz in ihrer Musik angekommen. Das Album ist im August 2020 erschienen und hat die Besonderheit, dass die Songs alle am Stück als Live-Session eingespielt wurden. Das nannte Hunger selbst „Volles Risiko“. Von der Kritik gefeiert, liest man über das Album von einer „nervösen Energie“ seiner kontinuierlichen Live-Aufnahmetechnik.

Irgendwas Dazwischen

Diese Energie war auch beim Konzert spürbar, eine mystische Energie der Offenheit und nicht ganz Abgeschlossenheit, wo Lieder nicht überproduziert und völlig zerdenkt wurden, aber auch nicht unfertig oder dahingeschmissen daherkamen. Es war immer irgendwas dazwischen, nicht ganz elektronische Psychodelik und nicht mehr nur Singer-Songwriter-Pop. Ein Hybrid, ein Tanz zwischen Genres, Stimmungen und Sprachen. Es wechselten sich deutsch- und englischsprachige Lieder ab, auch eine französische Nummer wurde gesungen. Synthesizer Flächen legten sich über monotone, repetitive Drum Beats und dann kamen wieder das Klavier als Klangstütze und poppige Unbeschwertheit in den Vordergrund. Hunger hatte zwei Musiker dabei, die ihr Klangwelten unter die markante Stimme legten und mit ihr Abwechslungsreichtum feierten. Auch die Wirkung von dem allem war irgendwo dazwischen: Sehr gut, aber auch nicht ausgezeichnet. Wie ein Traum, der auch eine Halluzination gewesen sein können hätte.

Am besten ohne Erwartungen

Hunger selbst hatte viel Energie und war gut drauf, hüpfte wild herum und schüttelte die Haare. Aber sie war auch durchaus mal außer Atem, trank viel Wasser. Bestätigt wurde das nicht, aber manche im Publikum fragten sich, ob da ein Babybauch unter dem Kleid versteckt würde. Sei es drum, für die künstlerische Darbietung ist das ja irrelevant. Dieser Darbietung gegenüber gab es jedoch durchaus auch kritische Stimmen. Die Opulenz von früher ist im neuen Stil nicht zu finden. Das Konzert war vor allem das neue Album und damit auch der neue vielseitige Stil. Unverkennbar und doch ganz anders. Wer also mit der Erwartung kam, Sophie Hunger würde sich wiederholen und sei noch immer die gleiche wie früher, wurde vielleicht ein wenig enttäuscht. Sie lebt wohl Entwicklung und Veränderlichkeit. Trotzdem gab sie als Zugabe dann doch noch einen Dialektsong in Schwyzerdütsch zum Besten.

Vorarlberger Vorband

Die Eröffnung des Abends machte übrigens die Vorarlbergerin Nnella mit ihrer Band. Sie lieferte mit „Dear beloved asshole“ ein sehr persönliches und kantiges Debutalbum ab, das auch live ausgezeichnet funktionierte. Eine junge Künstlerin aus dem Ländle, die sich emanzipiert und größer werden möchte. Sie wird auch heute beim Konzert in Linz als Support Act mit dabei sein. Die vier Lieder waren fast ein wenig zu wenig und machten auf jeden Fall Lust auf mehr. Dass der danach geplante Hip-Hop Künstler kurzfristig absagen musste, ist eine andere Story. Warum man ihn am Flughafen festgenommen hat, ist bis jetzt noch nicht klar. Was auf jeden Fall extrem auffällig war, war der Generationenwechsel, den diese Eventplanung mit sich brachte. Die Älteren gingen nach dem Konzert nach Hause und die Jungen, für die um 23 Uhr der Abend gerade erst beginnt, kamen in den Club. Also auch in dieser Hinsicht ein äußerst abwechslungsreicher Abend.

www.sophiehunger.com
www.conradsohm.com