Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Silvia Thurner · 17. Jul 2020 · Musik

Die Wahrheit in der Musik ausdrücken – frenetischer Jubel für Kian Soltani und Aaron Pilsan bei der Schubertiade Hohenems

Mit einem sympathischen Lachen betraten der Pianist Aaron Pilsan und der Cellist Kian Soltani die Bühne im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems und hatten das freudvoll wartende Publikum bereits nach den ersten Tönen des fröhlich aufsteigenden Eingangsthemas aus Strawinskis „Suite Italienne“ auf ihrer Seite. So vielschichtig in der Programmgestaltung und so feinsinnig in der musikalischen Ausdeutung, getragen von einem gemeinsamen musikalischen Atem, gab es bislang auch Beethovens Cellosonate op. 102/2, die Klaviersonate op. 40 von Dmitri Schostakowitsch und Piazzolla „Le Grand Tango“ hierzulande selten zu hören.

Die Qualitäten des Cellisten Kian Soltani und des Pianisten Aaron Pilsan wurden bereits vielfach gelobt und werden international gefeiert. Seit nunmehr sechs Jahren begeistern die aus Dornbirn und Koblach stammenden Musiker im stets ausverkauften Markus-Sittikus-Saal das Schubertiadepublikum. Eines der Wesensmerkmale dieses Duos besteht darin, dass sie so offensichtlich aufeinander hören und wunderbar flexibel und exakt aufeinander reagieren, sowohl in den großen musikalischen Bögen, aber besonders in detailreichen motivischen Nuancen. Jede Phrase der dargebotenen Werke stellten die Musiker in einen sinnhaften Zusammenhang und verliehen ihr eine spezielle Farbe. So kamen die Charakteristika der ausgewählten Kompositionen faszinierend zur Geltung. Im Mittelpunkt standen die Sonate für Klavier und Violoncello in D-Dur, op. 102/2 von Ludwig van Beethoven sowie Dmitri Schostakowitschs Sonate für Violoncello und Klavier in d-Moll, op. 40, die atemberaubend musiziert erklangen.

Die Motivfragmente, die Beethoven so aufreizend in den Raum stellt, modellierten Kian Soltani und Aaron Pilsan und verzahnten sie in mannigfaltigen Stimmungsumschwüngen und auf engstem musikalischem Raum miteinander. Besonders in diesem Werk war unmittelbar nachvollziehbar, wie die beiden „ganz Ohr“ aufeinander reagierend die musikalischen Gesten in ein übergeordnetes Ganzes einfließen lassen. Die vielfältige Tongebung, mit der Kian Soltani beispielsweise das Adagio am Cello ausbreitete, unterstrich den wehmütigen Aussaggehalt und bewirkte eine intensive Atmosphäre im Saal. So entfalteten sich die harmonischen Schattierungen und wurden gleichzeitig die rhetorisch eingesetzten Vorhaltwirkungen berührend zur Geltung gebracht. In Erinnerung blieben viele interpretatorische Schlüsselstellen, besonders auch die fast banale Überleitungsgeste in den Finalsatz, die Kian Soltani an Aaron Pilsan am Klavier weiterreichte und die dieser geistreich als Beginn der Fuge markierte.

Aufwühlender musikalischer Energiefluss

Nicht weniger anregend ausgestaltet erklang Dmitri Schostakowitschs Cellosonate op. 40. Mit einem weiten Ambitus leiteten die Musiker den Eröffnungssatz ein und kristallisierten in einer sensiblen Zwiesprache miteinander den musikalischen Wesenskern heraus. Pochende Tonrepetitionen sorgten für eine aufgewühlte innere Spannung, die in einem unheimlichen Allegro noch gesteigert wurde. Sodann drehten die Musiker mit markanten Motivgewichtungen die Spirale weiter nach unten und ließen die Musik in einem diabolisch gemeißelten Schlusssatz münden. Selten entlädt sich eine derart spannungsgeladene Energie in einem Konzertsaal wie bei dieser Werkdeutung.

Den Rahmen für den auch thematisch herausragend abgerundeten Konzertabend, dessen zugrundeliegende Werkauswahl Kian Soltani und Aaron Pilsan sympathisch erläuterten, bildeten die „Suite Italienne“ von Igor Strawinski und Astor Piazzollas „Le Grande Tango“. Auch diese Werke formten die beiden mit einer bewundernswerten Musizierhaltung heraus, so dass beispielsweise die „Aria“ aus der „Suite Italienne“ eine mitreißende theatralische Ausformung erhielt und der rituelle Charakter der Musik von Strawinski im „Minuetto e Finale“ das Publikum in seinen Bann zog.